Interview: Anne-Sophie Mutter "Das Publikum ist heute anspruchsvoller"

Die Geigerin Anne-Sophie Mutter geht in den nächsten Tagen mit ihrem Klavierpartner Lambert Orkis auf Tour und gastiert am Mittwoch, 17. Juni, in die Kölner Philharmonie und am Montag, 29. Juni (ihrem Geburtstag), in der Bonner Beethovenhalle.

 Unbedingte Leidenschaft: Anne-Sophie Mutter während einer CD-Aufnahme.

Unbedingte Leidenschaft: Anne-Sophie Mutter während einer CD-Aufnahme.

Foto: Harald Hoffmann/Dg

Sie haben die Klub-Konzerte für sich entdeckt und sind kürzlich im Rahmen der "Yellow Lounge" mit ihrem Klavierbegleiter Lambert Orkis und "Mutters Virtuosi" sogar an zwei Abenden in der Neuen Heimat in Berlin aufgetreten. Was ist an diesem Format so spannend für Sie?

Anne-Sophie Mutter: Ich hatte ja bereits ein Klub-Konzert gespielt. Vor knapp anderthalb Jahren im Asphalt in Berlin. Es ist ein kleiner Rahmen, sehr intim, es herrscht eine Atmosphäre wie im Jazzkeller, wo man dem Künstler sehr nahe kommt. Das hat natürlich auch großen Einfluss auf das Repertoire. Man sucht diesen Rahmen, um ein Programm zu spielen, das man im großen Saal so nicht aufführen kann oder mag. Man findet ein anderes Publikum vor, das eine wunderbare Präsenz und Herzlichkeit besitzt. So eng vernetzt mit den Zuhörern kann man in einem großen Saal mit 2000 oder 3000 Plätzen leider nie sein.

Welchen Stellenwert haben solche Erfahrungen für Sie?

Mutter: Es war mir immer wichtig, mein Repertoire zu vergrößern, immer wieder Zuhörer zu inspirieren, immer wieder etwas zu wagen, neue Inseln zu bereisen. So wie ich die zeitgenössische Musik als einen ganz wichtigen Teil meines Lebens sehe, so ist auch weiterhin das Recital, das Streich- oder Klaviertrio ein wichtiger Bestandteil meines Künstlerdaseins. Dieses fällt für mich mit solchen Klub-Auftritten nicht weg. Ich vergrößere immer nur weiter und konstant die Möglichkeiten auf sehr ernsthafte Art und Weise.

Ihr persönliches Engagement für den Neubau eines Konzerthauses in München zeigt, dass Ihnen die klassischen Säle nach wie vor wichtig sind. In Bonn gibt es ja eine ähnliche Diskussion.

Mutter: Ja, das weiß ich. Aber ich kann und will mich nicht überall einmischen.

Sie kennen die Beethovenhalle gut. Wie stehen Sie dazu?

Mutter: Die Beethovenhalle ist ein guter Saal. Aber inzwischen gibt es natürlich weltweit, in Europa, Amerika und Asien, neue Konzerthäuser, in denen es noch viel mehr Freude bereitet, großes Repertoire zu spielen und zu hören. In Bonn braucht man einen Saal, der der Geburtsstadt Beethovens würdig ist und der ein Publikum auch in Zukunft fesseln kann. Heutzutage ist das Publikum - Gott sei Dank! - anspruchsvoller. Wir wissen, wie die neue Philharmonie in Paris klingt und welch ein fantastisches Bildungszentrum sie ist. Ich halte es gerade im Hinblick auf ein junges Publikum für wichtig, dass man seelische Begegnungsstätten schafft, die akustisch und optisch ansprechend sind und auf die Menschen eingehen.

Sie kommen viel herum in der Welt. Stellen Sie fest, dass das Interesse an klassischer Musik abnimmt?

Mutter: Ich sehe das Problem schwindenden Interesses an der klassischen Musik als nicht so gravierend, zumal wir ja auch eine faszinierende neue Generation an jungen Musikern haben. Allein wenn ich die jungen Pianisten anschaue. Daniil Trifonow und Khatia Buniatishvili gehören zu denen, die auch junge Musikbegeisterte - und auch die noch nicht Musikbegeisterten - ansprechen. So lange, wie wir guten und ernsthaften Nachwuchs hervorbringen, ist noch nichts verloren.

Junge Musiker sprechen immer vor allem die eigene Hörer-Generation an?

Mutter: Ohne Frage. Die 40-, 50- und 60-Jährigen, die in meine Konzerte gehen, sind zu einem ganz großen Teil diejenigen, die ich schon als ganz junge Musikerin gewinnen konnte.

Mit dem Pianisten Lambert Orkis verbindet sie eine lange Liaison musicale. Wie würden Sie die Beziehung zu ihm beschreiben?

Mutter: Es ist immer die Neugier. Wir sind gerade dabei, wieder ein neues Programm zu basteln - schon für 2017 -, und zerbrechen uns die Köpfe, welche Beziehungsbögen wir schaffen können. Auch die unbedingte Leidenschaft, mit der wir Musik machen, verbindet uns. Wir sind Tüftler, probieren vieles aus. Auf der anderen Seite sind wir vom Temperament her sehr unterschiedlich. Was sich gut ergänzt. Es entsteht über diese vielen Jahre ein musikalisches Vertrauen, das man nicht missen möchte und in kürzeren musikalischen Verbindungen nicht finden kann. Die aber wiederum andere Reize haben.

Das gilt auch für Dirigenten? Sie haben ja viel mit Karajan zusammengearbeitet.

Mutter: Das liegt aber auch schon über 25 Jahre zurück. Jetzt gibt es eine junge Generation von Dirigenten zwischen 30 und 40 Jahren. Das sind wirklich eine Reihe Hochbegabter darunter. Yannick Nézet-Séguin zum Beispiel, oder der Rumäne Cristian Macelaru. Da gibt es viele, mit denen ich in den nächsten Jahren gerne arbeiten möchte.

Da könnten Sie ja vielleicht auch den Berliner Philharmonikern eine kleine Empfehlung geben?

Mutter: Nein, wirklich nicht. Ich finde deren Entscheidung, zu vertagen, sehr klug und weise. Noch ein Jahr zu musizieren und die Dirigenten noch genauer zu beobachten, ist sicher kein Fehler.

Sie werden in Bonn genau an ihrem Geburtstag spielen. Ist das purer Zufall oder Absicht?

Mutter: Absicht war es ganz sicher nicht. Es ist einfach der Saalverfügbarkeit geschuldet. Üblicherweise vermeide ich es, an meinem Geburtstag zu spielen. Aber in diesem Fall werden wir mit Respighi und dem Bonner Publikum die Musik feiern - nicht mich. Klar werde ich mit meinen Kindern am 28. Juni reinfeiern. Soweit der Konzerttag, der dann vor mir liegt, es zulässt. Wenn's der Geburtstag eines meiner Kinder wäre, das wäre schon gravierender, nicht ordentlich feiern zu können.

Wo wir schon mal bei Geburtstagen sind: Werden Sie denn auch zum Jubiläum 250 Jahre Ludwig van Beethoven nach Bonn kommen?

Mutter: Ja, wir stecken da schon in der Planung. Es gibt zwar noch nichts Konkretes. Aber natürlich ist das Jahr 2020 für den großen Meister allein reserviert. Und so werde ich ihm ganz sicher auch in Bonn huldigen dürfen.

Zur Person

Anne-Sophie Mutter gehört seit knapp vier Jahrzehnten zu den großen Geigen-Virtuosen unserer Zeit. Die 1963 im Badischen Rheinfelden geborene Violinistin begann ihre internationale Karriere 1976 bei den Festspielen in Luzern. Ein Jahr danach trat sie als Solistin bei den Salzburger Pfingstkonzerten unter der Leitung von Herbert von Karajan auf. Die CD und Blu-ray-Disc "Anne-Sophie Mutter - Live from the Yellow Lounge" von ihrem Klub-Auftritt im Mai erscheinen im August bei der Deutschen Grammophon.

Karten für das Konzert am Montag, 29. Juni, 20 Uhr, in der Beethovenhalle gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen. Gespielt werden Werke von Brahms (Sonate Nr. 2 A-Dur), Beethoven (Sonate G-Dur), Respighi (Sonate h-Moll) sowie Maurice Ravel ("Tzigane", Rapsodie de concert.)

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