Ausstellung in Bonn Das Kunstmuseum erinnert an den expressionistischen Sommer 1913

Bonn · Als vor genau 100 Jahren die Ausstellung der "Rheinischen Expressionisten" in der Buchhandlung Friedrich Cohen zu sehen ist, wird mit einem Mal offensichtlich, dass Bonn nicht nur ein biedermeierlich wirkendes Gelehrtenstädtchen ist.

 Heinrich Campendonk: Komposition mit zwei Figuren, um 1912.

Heinrich Campendonk: Komposition mit zwei Figuren, um 1912.

Foto: © VG BILD-KUNST, BONN 2013

In diesem expressionistischen Sommer reiht sich Bonn neben Paris, Berlin und München ein. Das Rheinland gehört zu denjenigen Zentren, von denen der künstlerische Aufbruch ausgeht. Ideengeber, Planer und geschickter Netzwerker der rheinischen Avantgarde ist August Macke, dessen Wohn- und Atelierhaus in der Bornheimerstraße zum Mittelpunkt der rheinischen Kunstszene geworden ist.

Macke prägt den Begriff des "Rheinischen Expressionismus", er beteiligt sich an etlichen Initiativen zur Durchsetzung der neuen Kunstrichtung und lädt schließlich zwei Künstlerinnen und 14 Künstler ein, ihre Arbeiten im Kunstsalon Cohen gegenüber der Universität zu präsentieren. "Die rheinischen Expressionisten habe ich gemacht in Bonn, so nebenbei, erstens um Cassirer zuvorzukommen, und die Leute hier zusammenzubringen, zweitens als eine Probe für den Herbstsalon", schreibt Macke am Vorabend der Eröffnung.

Wenn heute Abend im Kunstmuseum erneut eine expressionistische Sommerausstellung eröffnet wird, ist das nicht nur eine Hommage an August Macke und seine Künstlerkollegen, sondern auch eine wunderbare Erinnerung an einen legendären Bonner Sommer. Eine genaue Rekonstruktion der Ausstellung von 1913 ist dabei nicht möglich, dazu reicht die Quellenlage nicht aus. "Es gab damals keinen Katalog, noch nicht mal ein Faltblättchen zur Ausstellung", erzählt Kuratorin Irene Kleinschmidt-Altpeter.

Seit Jahren ist die Kunsthistorikerin allen Spuren nachgegangen, von Mackes Skizzenbüchern bis zu den Forschungsergebnissen aus dem Macke-Haus, um so viel wie möglich über die Werkschau von 1913 in Erfahrung zu bringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Alle 1913 beteiligten 16 Künstler sind mit insgesamt rund 120 Bildern, Zeichnungen und kunsthandwerklichen Arbeiten vertreten, was der Größe der damaligen Ausstellung entspricht. Ein Drittel der gezeigten Werke sind Leihgaben aus Museen oder Privatbesitz, wobei die Kuratorin auch einige Trouvaillen vorweisen kann. Wie die 1913/14 gemalte "Straße in Bonn" von Paul Adolf Seehaus. Der Blick aus dem Fenster auf die Blücherstraße in der Südstadt lebt von den feurigen Farben und der flächigen, geradezu sachlichen Komposition. Insgesamt wird zwar die stilistische Nähe des rheinischen Kreises zur französischen Avantgarde deutlich, wie bei Mackes "Gemüsefeldern" oder Heinrich Nauens "Ernte" unübersehbar ist, aber einen verbindlichen rheinisch-expressionistischen Stil gibt es nicht.

"Es war eine lebendige, sehr vielfältige Szene, die anders als der ?Blaue Reiter? oder die ?Brücke? kein gemeinsames inhaltliches Programm besaß", sagt Irene Kleinschmidt-Altpeter. Macke hatte mit seiner Ausstellung weniger eine spezielle Programmatik verbunden, sondern auf progressive Künstlerpersönlichkeiten im Rheinland zurückgegriffen. Welche Arbeiten gezeigt wurden, blieb den Künstlern jeweils selbst überlassen.

Zu den Rheinländern zählten einen Sommer lang auch Ernst Moritz Engert und Franz Henseler, zwei Importe aus der Schwabinger Bohème. Sie waren 1913 Mitglieder der rheinischen Künstlerkolonie in der Graurheindorfer "Villa Plüskow", die im Sommer vor der Ausstellung zum beliebten Treffpunkt wurde. Hier wurde gefeiert und gezeichnet, im Rhein gebadet und gesegelt.

August Macke, Max Ernst, Paul Adolf Seehaus, Otto Feldmann und Hans Thuar gehörten zu diesem Kreis, und hier entstand offenbar auch Mackes Idee zur Ausstellung. Man schmiedete Pläne und "betrachtete Köln und Bonn als Vororte von Paris, Wien und Rom", wie einer der Bewohner schrieb. Nach dem expressionistischen Sommer brachte nur ein Jahr später der Erste Weltkrieg die Aufbruchstimmung jäh zum Stillstand. Auch für August Macke, der als 27-Jähriger zu Beginn des Krieges fiel, blieb nur wenig Zeit. Er war maßgeblich an der Organisation des "Herbstsalons" in Berlin 1913 beteiligt und zog sich dann mit seiner Familie in die Schweiz zurück. Einen Teil der Arbeiten, die während Mackes kreativer Schaffensphase am Thuner See und auf seiner Tunisreise entstanden, kann der Besucher in der ständigen Sammlung des Kunstmuseums noch entdecken.

Die Villa Plüskow aber ist inzwischen abgerissen und auch die traditionsreiche Buch- und Kunsthandlung Cohen, später Universitätsbuchhandlung Bouvier, wird ihren angestammten Platz "Am Hof" verlassen. Auf der anderen Seite der Bilanz steht die Erfolgsgeschichte des August Macke Hauses, dessen geplanter Erweiterungsbau inzwischen finanziell gesichert ist.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2, bis zum 29. September, Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr, Katalog.

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