Pfarrsaal Thomas Morus Das Kind, das nicht fragte

BONN · Folgender Miniaturdialog hätte am Anfang des Trailers für einen Mysterythriller stehen können. Zu Beginn der Fragerunde meldet sich eine Dame in den vorderen Reihen. "Ich wollte fragen, wie es Ihren Händen geht." Hanns-Josef Ortheil guckt irritiert. "Wie bitte?" - "Wie es Ihren Händen geht." Der Tonfall der Dame bleibt so freundlich wie unbeirrt. "Meinen Händen? Fabelhaft. Wieso?" Stille.

Die gut informierte Zuhörerin bezieht sich wahrscheinlich auf Ortheils Sehnenscheidenentzündungen, die ihn Anfang der 1970-er Jahre dazu zwangen, seine aufblühende Pianistenlaufbahn zu beenden. Am Schreiben hinderten ihn die Beschwerden glücklicherweise nicht. Der promovierte Musikwissenschaftler und Philosoph Ortheil reüssierte als Verfasser von Romanen und Sachbüchern, sein größter Erfolg bislang war der autobiografische Roman "Die Erfindung des Lebens" (2009).

Auf Einladung der Buchhandlung am Paulusplatz ist Ortheil in den Pfarrsaal Sankt Thomas Morus in Tannenbusch gekommen, um 170 Zuhörern seinen aktuellen Roman "Das Kind, das nicht fragte" vorzustellen. Mit der Geschichte um den Ethnologen Benjamin Merz, der auf Sizilien Studien startet, setzt Ortheil sein autobiografisches Selbsterforschungsprojekt fort.

Erneut greift er die Wechselwirkungen aus Verstummen und Sprechen, Fragen und Selbstfindung auf. Nicht ohne wohltuenden Humor: Ortheil selbst rechnet sein aktuelles Buch dem Genre des Schelmenromans zu. Passend dazu sein Lieblingsroman von Thomas Mann: "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull". 2002 war Ortheil übrigens Thomas-Mann-Preisträger.

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