Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum Das Geheimnis der Glanzlichter

Köln · Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum spürt mit Werken aus der eigenen Sammlung der „grafischen Revolution“ in der italienischen Kunst nach

 Meisterhafter Druck: Ugo da Carpis um 1527 entstandener Farbholzschnitt „Diogenes“.

Meisterhafter Druck: Ugo da Carpis um 1527 entstandener Farbholzschnitt „Diogenes“.

Foto: Wallraf

Wer sich an seinen ersten 3D-Film im Kino erinnern kann, an den Tiefensog, den diese dreidimensionalen Bilder erzeugten, kann vielleicht ermessen, wie Menschen des 16. Jahrhunderts reagierten, als sie die ersten Farbholzschnitte des Venezianers Ugo da Carpi sahen. Er gilt als Erfinder des hoch virtuosen Chiaroscuro (helldunkel)-Holzschnitts. Dabei wird ein Blatt Papier mit bis zu vier aufeinander folgenden Druckstöcken bedruckt. Die Farben sind Ton in Ton angelegt, der Drucker beginnt mit der hellsten Farbe, wechselt Schritt um Schritt zu dunkleren Valeurs, die letzte Druckplatte bringt die reine Linienzeichnung aufs Papier, eine Kunst, die hohes Abstraktionsvermögen und umsichtige Bildplanung erfordert.

In Rom brachte es da Carpi mit der Chiaroscuro-Technik in Zusammenarbeit mit Raffael zu hoher Meisterschaft, wie die neue Ausstellung des Grafischen Kabinetts im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt: Sein berühmter „Diogenes“ (um 1527) etwa hat die Präsenz einer Skulptur, wirkt plastisch in den Vordergrund gerückt. Schatten und Konturen dynamisieren seine gleichsam geschraubte Körperdrehung. Die Licht- und Farbregie lässt alles übrige in den Hintergrund gleiten – auch das rechts dargestellte gerupfte Huhn, das als Verspottung von Platons philosophischer Bestimmung des Menschen als zweibeiniges nacktes Wesen gedeutet wird.

Meisterwerk in Grüntönen

Da Carpi hat dieses Meisterwerk mit vier Druckplatten in verschiedenen Grüntönen und Schwarz zusammen mit dem Maler Parmigianino hergestellt. Thomas Ketelsen, Grafik-Chef im Wallraf, übertreibt nicht, wenn er in dieser bislang vierten Schau über Drucktechnik von einer Revolution spricht. Nicht nur die neue, expressive Farbigkeit, die das Schwarz-Weiß des herkömmlichen Holzschnitts ersetzt, und die ungeheuer plastische Bildwirkung sprechen dafür, sondern auch, dass sich der Bilderdruck durch das Chiaroscuro von der Rolle als reines Reproduktionsmedium emanzipierte. Hier entstehe etwas Anderes, Eigenständiges, sagt Ketelsen. Ein Indiz für die Aufwertung ist auch, dass herausragende Künstler eng mit den Druckern zusammenarbeiten und wohl auch mit dem Farbkonzept zu tun hatten. Verständlich: Die Maler hatten ein vitales Interesse, ihre Bildideen möglichst qualitätsvoll in Umlauf zu bringen. Rund 90 Chiaroscuro-Blätter besitzt das Wallraf. Ketelsen und Kuratorin Nina Marlene Kraus haben die Besten ausgesucht.

Anschaulich zeigt die Schau die Möglichkeiten der Technik. Aber auch Beispiele, in denen das Ton-in-Ton-Spiel eher dazu führt, die ganze Szenerie absaufen zu lassen, sind darunter. Spannend sind die weißen Glanzlichter, die die Plastizität auf die Spitze treiben – Antonio da Trento und Andrea Andreani waren darin Meister. Eine delikate Technik: Vor Beginn des Druckens musste der Meister bereits wissen, wo er die Glanzlichter setzten wollte. Denn das Weiß ist das nackte Papier, die Farbe musste dort ausgespart werden – eine Herausforderung für den Schneider der Druckplatte.

Andrea Andreani hat die Tradition da Carpis ins 17. Jahrhundert geführt – und das nicht nur mit eigenen Ideen. Aus einem Nachlass erwarb er 1602 etliche Chiaroscuro-Druckstöcke, darunter auch welche von di Carpi, mit denen er – allerdings mit eigenem Monogramm – Neuauflagen druckte. Nötig hatte Andreani das nicht, denn er war selbst ein ausgezeichneter Druckkünstler, der sich auch an schwierige Motive wagte: Giambolognas berühmte Florentiner Skulptur „Raub der Sabinerin“ etwa hat er meisterhaft in Chiaroscuro umgesetzt. Auch Andrea Mantegnas für den Palast der Gonzaga in Mantua geschaffenen Zyklus „Triumph des Cäsars“ hat Andreani präzise und viel Gespür für Komposition und Monumentalität zum Druck gebracht. Die Grafik wird so zum Gemälde.

Wallraf-Richartz-Museum, Köln; bis 14. Januar 2018, Di-So 10-18 Uhr. Katalog 10 Euro

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