38 Bonner Gotteshäuser Das erwartet die Besucher der 7. Bonner Kirchennacht

BONN · Bei der 7. Kirchennacht am 8. Juni präsentieren 38 Bonner Gotteshäuser mehr als 150 Programmangebote. Das Motto lautet „Staunen und Träumen“. Die Veranstalter erwarten rund 15.000 Besucher.

 Lange Nacht: Bonner Kreuzkirche im Abendlicht.

Lange Nacht: Bonner Kreuzkirche im Abendlicht.

Foto: Meike Böschemeyer

Es funkelt ein neuer Stern am Firmament der Bonner Kultur. Er trägt keinen wissenschaftlichen Namen, heißt nicht K09Q09J oder so, sondern verheißungsvoll Dad’s Phonkey. Hinter dem Soloprojekt verbirgt sich der Sänger Christian Padberg. Er trägt vorzugsweise Hut und ein lässiges Jackett, steht mit Mikrofon und einer merkwürdigen Musikmaschine in der U-Bahn-Haltestelle Uni/Markt, beim Kirschblütenfest in der Altstadt oder beispielsweise an diesem Samstag (2. Juni, 21 Uhr) im Kunstmuseum beim Museumsmeilenfest.

Padberg, Jahrgang 1960, erzeugt Melodien und Klangmuster zunächst nur mit der Stimme, dann übernimmt seine elektronisch vielseitige Loop Machine den analogen Vorschlag und dupliziert, verändert, verfremdet – und wächst auf diese Weise in die Rolle eines multifunktionalen Begleitorchesters. Der Künstler macht sich nicht zum Knecht stilistischer Präferenzen. Klar, er mag Jazz und Blues, aber auch große Oper und Funk, wie es der Projektname andeutet. „Meine Musik ist ausschließlich improvisiert und somit völlig unabsehbar“, sagt der Klangzauberer. In seinen Texten verwendet er Fragmente aus vielen Sprachen, von Englisch und Spanisch bis Russisch und Arabisch. „Erfundenes Blindtextkauderwelsch“ nennt er das. Und jedes Lied ist ein Unikat.

Mit dieser geradezu überirdischen Musik hat Christian Padberg einen neuen Fan auf den Plan gerufen. Für den Pfarrer Joachim Gerhardt, seines Zeichens künstlerischer Leiter der Bonner Kirchennacht, ist der vielseitige Musiker „ein Hochkaräter“, den er unbedingt zur siebten Ausgabe des kulturaffinen Kirchenfestes einladen wollte. Ohne zu wissen, was genau ihm am 8. Juni in seiner ehrwürdigen Lutherkirche blühen würde. „Es wird ganz sicher gute Musik sein“, sagt Gerhardt. „Und gute Musik hat immer eine Berührung des Himmels.“ Deshalb passe Padberg ins Programm der Veranstaltung.

Alle zwei Jahre organisiert der umtriebige Gottesdiener Gerhardt mit seinem Team das ökumenisch ausgerichtete Kirchenfest. Nur 2016 wurde eine Pause eingelegt, weil die Feierlichkeiten zum Jubiläum „200 Jahre Evangelische Kirche Bonn“ doch einige kreative Kräfte in den Gemeinden gebunden hatten.

Umso zielstrebiger steuern die Organisatoren die aktuelle Kirchennacht an. 38 Einrichtungen machen mit, mehr als 150 Programmpunkte sind im Angebot. Gerhardt wirkt im Gespräch konstruktiv angespannt, regelrecht aufgedreht – weil er zu jedem Programminhalt die Entstehungsgeschichte kennt.

Kostprobe: „Ein heiliger Ort ist nicht nur die Kirche selbst, sondern auch der Bonner Hauptbahnhof, wo heilige Arbeit gemacht wird, nämlich richtig gute Sozialarbeit“, kommentiert er den Beitrag der Bahnhofsmission, die am 8. Juni von 18 bis 21 Uhr auf Gleis 1 interessierte Besucher erwartet. „Auch dort weht der ökumenische Geist. Die Mitglieder der Bahnhofsmission sind seit Jahren dabei, lesen aus ihren Tagebüchern, machen eine kleine Andacht – also Kirche ganz niederschwellig.“

Plakate, Flyer und Postkarten

Auch das Motto „Staunen und Träumen“ hat er schnell erklärt: „Das Thema zieht sich durch die ganze Bibel“, sagt Gerhardt. „Die schönste Geschichte ist die von der Jakobsleiter, wo Jakob im Traum eine Leiter entdeckt, auf der die Engel hoch und runter steigen und ihm Zuversicht und Stärke bringen.“ Ergo: „Auch die Kirchennacht verbindet Himmel und Erde - mit viel Musik.“ Ob irgendwo und irgendwann auch der Klassiker „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin erklingen wird, steht in den Sternen. „Ooh, it makes me wonder.“

Gerhardt hat Plakate, Flyer und Postkarten drucken lassen. Zur Ausrüstung für die Nacht zählen Streichhölzer, mit denen man zu später Stunde die Kerzen entzünden kann. Auch die Kugelschreiber im ökologisch fair gehandelten Bambusgehäuse erfüllen ihren Zweck: Im 60 Seiten starken Programmheft gibt es eine Doppelseite, auf der man sich seinen persönlichen Fahrplan für die lange Nacht eintragen kann.

Das Team Gerhardt hat für alles gesorgt. Trotzdem: „Die teilnehmenden Kirchen sind völlig frei bei ihrer Programmgestaltung, jedes Haus hat seinen eigenen Weg in den Himmel gefunden.“ So tun sich die Duisdorfer Kirchen zusammen und präsentieren sich gemeinsam in St. Rochus. „St. Laurentius (katholisch) und Johanneskirche (evangelisch) wiederum verbinden ihre beiden Kirchen mit einem Tafelmahl – einer Prozession mit Essen und Trinken“, sagt Gerhardt. „Das ist neu.“

Stadtdechant Wilfried Schumacher hatte die Idee, mit Superintendent Eckart Wüster im Cabriobus zu „ungewöhnlichen Kirchen-Orten der Stadt“ zu fahren. Aufgrund einer Finanzaffäre ist Schumacher kürzlich zurückgetreten. „Seinen Part übernimmt der kommissarische Stadtdechant Bernd Kemmerling“, sagt Gerhardt und versteckt jeden weiteren Kommentar hinter feinem diplomatischen Charme: „Der ökumenische Geist ist stark, und die Wertschätzung auch.“

Schwerpunkt liegt auf der Kultur

Bei aller Vielfalt: Der Schwerpunkt liegt auf der Kultur. Kein Wunder, denn abendländische Kultur entstand einst auch in Kirchen. Stichwort Gregorianischer Choral. „Statt Gregorianik gibt es jetzt Jazz“, sagt Gerhardt. „Daran sieht man, dass sich auch Kirchen verändern.“

Hier klingt viel Stolz mit, hier freut sich ein Impresario, dass er ein paar Koryphäen der zeitgenössischen Musik fürs Fest gewinnen konnte, darunter den Kölner Trompeter Markus Stockhausen, die österreichische Saxofonistin Karolina Strassmayer, die Poetry-Slammerin Sandra Da Vina aus Essen und den Bonner Pianisten Marcus Schinkel.

Und natürlich Dad’s Phonkey. Christian Padberg geht davon aus, dass ihn der Kirchenraum mit seinem Hall und die nächtliche Stimmung „eher zu meditativen, klassischen, ruhigeren, vielleicht auch experimentelleren Tönen“ inspirieren werden. Mehr Pläne hat der Improvisator nicht, nur eine Idee: Er wird wohl zur Inspiration ein Lieblingsbuch mitbringen – mit deutschen Kirchenliedern des evangelisch-lutherischen Theologen Paul Gerhardt (1607-1676). Der Namensvetter wird sich freuen.

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