"Das Ende des Regens" in der Halle Beuel

Klaus Weises hellsichtige Inszenierung von Andrew Bovells "Das Ende des Regens" in der Halle Beuel. Goyas Gemälde "Saturn verschlingt eines seiner Kinder", das man im Prado in Madrid bewundern kann, hat den australischen Dramatiker Andrew Bovell tief beeindruckt.

 Elisabeth Law (Christine Schönfeld) und ihr Mann Henry (Raphael Rubino) in "Das Ende des Regens".

Elisabeth Law (Christine Schönfeld) und ihr Mann Henry (Raphael Rubino) in "Das Ende des Regens".

Foto: Thilo Beu

Bonn. Goyas Gemälde "Saturn verschlingt eines seiner Kinder", das man im Prado in Madrid bewundern kann, hat den australischen Dramatiker Andrew Bovell tief beeindruckt. Es habe ihn, berichtet er, zu seinem Theaterstück "Das Ende des Regens" inspiriert.

In einer Schlüsselstelle seines 2008 uraufgeführten Stücks schreibt ein Mann mit Namen Henry Law vom Ayers Rock aus einen Brief an seinen Sohn Gabriel, worin er ihm fast beiläufig die auf dem Gemälde geschilderte grausige Geschichte erzählt - nicht ohne Gabriel mit einer gewissen Perfidie zu beteuern, dass er ihn vermisse. Die Episode ist ein Mosaikstein in einer äußerst komplexen Familiengeschichte, die Bovell hier über vier Generationen ausbreitet, und die Bonns Generalintendant Klaus Weise in der Halle Beuel nach "Lantana" jetzt als zweite Arbeit des Autors als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne bringt.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopDas Familien-Drama spielt zwischen 1959 und 2039 in London und Australien. Die Generationen verknüpft der Autor in seinem Stück über zahlreiche Motive tief symbolischen Inhalts. Saturn ist eines von ihnen, ein anderes ist der Regen. Unaufhörlich schüttet es in diesem Drama, ständig werden Regenmäntel und Schirme ausgeschüttelt, man isst unentwegt Fischsuppe, und irgendwann fällt immer der Satz, dass es in Bangladesch beziehungsweise Ostpakistan eine Überschwemmung gebe, und man sich also nicht beschweren könne.

Die virtuosen Motiv-Wiederholungen haben durchaus etwas Musikalisches, aber auch etwas arg Bedrückendes. In dem langen, gleichförmigen Fluss, den man das Leben nennt, sind es 2039 immer noch dieselben Dinge wie im Jahre 1959, über die man in der Familie spricht. Doch der Schein trügt. Denn innerhalb dieses gleichförmigen Motivflusses geschehen die Katastrophen. Ein Zeitkontinuum gibt es nicht. Die Generationen bleiben bis zum Ende aneinander gekettet.

Niemand kann hier entrinnen. Wenn Elisabeth Law ihren Mann Henry aus ihrem Leben verbannen will, nachdem sie in ihrer Londoner Wohnung einen Schulranzen mit Fotos von kleinen Jungen in eindeutigen Posen entdeckt hat, schickt sie ihn so weit fort, wie es irgend geht: nach Australien. Eine Szene, die von Christine Schönfeld und Raphael Rubino mit beängstigender Intensität gespielt wird. In Australien aber wird Henry Law zum Auslöser der schlimmsten Familientragödie, die sich denken lässt, und deren Opfer schließlich auch sein eigener Sohn wird: Gabriel stirbt Jahre später bei einem Verkehrsunfall neben seiner schwangeren Geliebten.

Und mit einer grausigen Ahnung: Ihr Bruder war als Achtjähriger missbraucht und ermordet worden, von einem Fremden der nie überführt wurde. In Klaus Weises Regie wirkt Bovells die Grenzen von Zeit und Raum souverän durchbrechende Dramenkonstruktion erstaunlich klar und strukturiert. Da helfen Details, wenn etwa die Elisabeth Law als Endfünfzigerin, dargestellt von Heide Simon, dasselbe Kostüm trägt wie die jüngere Elisabeth zwanzig Jahre zuvor. Vor allem aber Dorothea Wimmers Bühne schafft Übersicht. Sie hat in gut zwei Metern Höhe in ganzer Bühnenbreite fünf identische, kabinenartige Wohnungen hingestellt, deren Vorhänge zugleich als Leinwand für ihre Video-Einspielungen dienen.

Darunter steht ein Autowrack. Hinter den zerbrochenen Scheiben sitzt Birger Frehse (der auch den jüngsten Familienspross Andrew Price spielt) und füllt die Atmosphäre mit schwermütigen Gitarrenklängen. Und natürlich profitiert die ungemein dichte Inszenierung von der großartigen Ensembleleistung, an der noch Bernd Braun (Gabriel York, 50 Jahre), Anastasia Gubareva (Gabrielle York, 24), Tatjana Pasztor (Gabrielle York, 50), Ralf Drexler (Joe Ryan, 50), Nico Link (Gabriel York, 28) beteiligt sind. Erst ganz zum Schluss wird es übrigens aufhören zu regnen. Es könnte ein gutes Zeichen sein.

Halle Beuel, weitere Termine: 17., 19., 22. Dezember 2010, 9., 13., 19., 22., 26. und 29. Januar 2011

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