Ausstellung Das Bauhaus lebt

Bonn · Die Bundeskunsthalle schlägt mit „Das Bauhaus. Alles ist Design“ eine Brücke von den 1920ern in die Gegenwart.

 Marcel Breuer: Klubsessel B 3 (bekannt als Wassily-Sessel), 1925

Marcel Breuer: Klubsessel B 3 (bekannt als Wassily-Sessel), 1925

Foto: KAH

Der Mythos Bauhaus, der Charme von Wagenfeld-Lampe und Stahlrohr-Freischwinger sind nicht totzukriegen. Jedes Jahr ist, so scheint es, irgendwie, irgendwo Bauhaus-Jahr: Ausstellungen und Buchpublikationen en masse. 2019, das sei hier schon vorgemerkt, wird das Angebot explodieren, denn dann geht es um die Gründung des Bauhauses in Weimar durch Walter Gropius vor hundert Jahren.

Wenn die Bundeskunsthalle jetzt die ausgezeichnete Ausstellung „Das Bauhaus. Alles ist Design“ in erweiterter Form vom renommierten Vitra Design Museum in Weil am Rhein übernimmt, ist das zwar eine Vorwegnahme des Jubiläumsbooms im Jahre 2019, doch alles andere als eine historische Würdigung in der Art klassischer Bauhaus-Schauen. Vielmehr wird hier gefragt, was uns das Bauhaus heute bedeutet. Die Frage richtet sich an bildende Künstler, Designer und Architekten unserer Zeit – schließlich auch an den Besucher der Ausstellung.

Der betritt einen laborartigen, schön klar gegliederten Parcours aus modularen Podesten, Tischen und Regalen, die die Exponate vom Designklassiker bis zum Produkt unserer Tage präsentieren. Das Büro Kuehn Malvezzi – das 2014 in der Bundeskunsthalle schon den tollen Raum für „Outer Space“ realisierte – hat eine eigene, selbstbewusste, aber nicht dominante Ausstellungsarchitektur in zurückhaltender Ikea-Optik entwickelt, die traumhafte Blickachsen und Freiräume für einen hochspannenden Dialog bietet.

Der Besucher spürt sofort, dass es hier nicht um ein Namedropping berühmter Bauhäusler und eine Parade sattsam bekannter Klassiker geht, sondern dass versucht wird, der Bauhausidee jahrzehnteübergreifend auf den Grund zu gehen. Da wird etwa ein Stuhl aus Karbon-Kautschuk-Komposite von Clemens Weishaar (2012) zu Mies van der Rohes Armstuhl MR20/3 (1927) oder Marcel Breuers Freischwinger B 33 (1927/28) in Beziehung gesetzt. Wie innovativ waren Mies und Breuer? Was bleibt von ihrer ideologischen Material- und Formaskese? Und was haben die Design-Enkel und -Urenkel daraus gemacht?

Sozial, funktional, industriell sollte Bauhaus-Design nach dem Willen seiner Mütter und Väter sein – und blieb doch trotz innovativer Materialwahl einer archaischen, vorindustriellen Handwerkskunst verhaftet, war elitär und teuer. Das ist aktuelles Design auch, aber die Fertigung bedient sich industrieller Verfahren, und die Materialfrage ist geklärt: So verleugnet Konstantin Grcic' Schreibtisch-Stuhl-Ensemble „Pipe“ (2009) nicht seine Nähe zu Breuer, doch die Arbeit mit Stahlrohr und Holz wirkt ausgereifter als beim Bauhäusler. Van Bo Le-Mentzels 24-Euro-Stuhl aus der Hartz-IV-Möbelserie (2014) rekurriert in Gestalt, Materialität und Idee auf einen Klappstuhl, der in Hannes Meyers Co-op-Interieur von 1926 zu sehen war – verfeinert aber das ursprüngliche Konzept.

Man kann sich der Bonner Ausstellung rein über die Materialästhetik, die spannenden Motivkarrieren und Ideenentwicklungen aus fast hundert Jahren nähern. Die Kuratorin Jolanthe Kugler schlägt jedoch vier anregende Kapitel vor, die die Bauhausidee erschließen. Im Kapitel „#create context“ geht es um den ganzheitlichen Ansatz des Bauhauses, der nicht nur um die Veredelung einzelner Produkte kreiste, sondern die Analyse des Alltags und dessen Verbesserung durch innovative Lösungen im Blick hatte. Der Zeitgeist der Endzwanziger trifft hier auf Ideen der Reformbewegung. Ein Katalog mit dem Titel „Der Bauhaustapete gehört die Zukunft“ (1931) verrät nicht nur, dass das Bauhaus bunter war als vermutet, sondern dass wirklich kein Lebensbereich ausgespart blieb: vom Stoffdekor bis zum Teeservice, vom Schachspiel bis zur Tischlampe.

„#learningbydoing“ beleuchtet die innovative Ausbildung im Bauhaus und die ausgeklügelte Logistik für die Verbreitung der Ideologie. „#communicate“ befasst sich höchst anschaulich mit den Kommunikationsstrategien des Bauhauses, der Erfindung der „Corporate Identity“. Unter dem Motto „#thinkaboutspace“ schließlich greifen die Raumkonzepte der Bauhäusler, konkretisiert sich deren Ansatz, Tanz und Bühne einzubeziehen, Architektur als Lebensraum aufzuladen.

„Das Bauhaus war eines der radikalsten, alles verändernden ästhetischen Konzepte, das es vielleicht jemals gab“, gibt der Künstler Tobias Rehberger, einer von 50 Befragten, zu Protokoll. Philipp Oswalt und Julia Meer arbeiten sich in ihrem Statement an der Bauhausleuchte ab, die als Inbegriff für neue Industriekultur galt. Dabei sei sie ein Handwerksprodukt, weder modern noch funktional, was ihren Reiz jedoch nicht schmälere. Die Leuchte sei zur „medialen Bildikone“ geworden. Und sie steht dabei nicht allein, wie die Bonner Ausstellung zeigt.

Bundeskunsthalle Bonn; bis 14. August. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr

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