Rote Blitze beim Flamenco "Carmen" in Bonn

Bonn · Die finnische Mezzosopranistin Niina Keitel spricht über ihre Rolle und die Bonner „Carmen“-Premiere am Sonntag.

 Wunderbare Melodien: Niina Keitel schwärmt von der Partie der „Carmen“. FOTO: BEU

Wunderbare Melodien: Niina Keitel schwärmt von der Partie der „Carmen“. FOTO: BEU

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Wenn Carmencita, wie sie von den meisten zärtlich genannt wird, die Zigarettenfabrik verlässt, um sich bei einer kleinen Pause von der mühsamen Arbeit die Beine zu vertreten, zieht sie den Blick aller männlichen Augenpaare, die sich gerade in Sichtweite befinden, magisch auf sich. Und wenn sie dazu noch an einer dicken Zigarre zieht und den Qualm in die Luft bläst, ist diese Frau pure weibliche Provokation. Die Bonner „Carmen“, die am Sonntag Premiere hat, ist für die finnische Mezzosopranistin Niina Keitel die zweite Begegnung mit dieser ebenso faszinierenden wie populären Bühnenfigur.

Das erste Mal hat sie die Titelpartie in Georges Bizets Oper in Helsinki gesungen. „Da habe ich bei der Habanera eine Latzhose getragen“, erzählt sie. Carmen als politische Freiheitsaktivistin. In der Bonner Inszenierung des venezolanischen Regisseurs Carlos Wagner, bei der es sich um die Übernahme einer an der Düsseldorf-Duisburger Rheinoper mit großem Publikumserfolg gelaufenen Produktion handelt, darf sie als Carmen wieder Kleider tragen.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Diese Carmen ist keineswegs in erster Linie die männermordende Femme fatale, wie Keitel findet. Ihr Lebensmotto sei vielmehr „La Liberté“ – „Sie sucht die Freiheit.“ Kein Wunder, dass sie die Liebesbeziehung zu Don José bereits in einem sehr frühen Stadium beendet. Seine Eifersucht empfindet sie als Gefängnis. „In Escamillo sieht sie einen ebenbürtigen Partner“, sagt Keitel. Als Stierkämpfer ist der Mann „ein Rockstar“, der nicht an irgendwelche gesellschaftlichen Konventionen gebunden ist.

Keitel fühlt sich wohl in dieser Inszenierung, empfindet die von den Bildern des spanischen Malers Francisco de Goya inspirierte dunkle Bühne Rifail Ajdarpasic ebenso faszinierend wie die von Patrick Dutertre entworfenen Kostüme. „Ich mag besonders das schwarze Flamenco-Kleid“, verrät sie. Vor allem wenn das rote Innenfutter beim Tanz aufblitzt.

Für eine Sängerin sei die Partie der Carmen „sehr angenehm“, findet Niina Keitel. die wunderbaren Melodien besitzen in ihren Augen eine gewisse Leichtigkeit. „Meine Lieblingsszenen sind die mit Don José im zweiten und vierten Akt“, sagt sie. Und sie empfindet an dieser Rolle – unabhängig von der Inszenierung – die Sexualität dieser Frauenfigur als besonders reizvoll: „Das kann man nicht spielen.“ Eine Sängerin gebe mit dieser Partie das von sich preis, was sie selbst ist und erlebt habe. „Das ist sehr intim“, verrät sie.

In den vergangenen Jahren hat Niina Keitel bereits einige der großen Mezzopartien gesungen. Besonders am Herzen liegt ihr der Octavian aus Richard Strauss' „Rosenkavalier“ – als Hosenrolle ein ziemlicher Kontrast zur Carmen. Aber auch Olga (Eugene Onegin), Lola (Cavalleria Rusticana) oder Judit (Herzog Blaubarts Burg) und Marina (Boris Godunov) hat sie bereits gesungen.

Nach der Bonner Premieresteht Japan auf dem Programm

Ihre Karriere startete sie in Deutschland, wo sie zunächst in Darmstadt und Mannheim Ensemblemitglied war, bevor sie 2011 in ihre Heimat nach Helsinki wechselte. Mittlerweile kann sie es sich als sehr gefragte Interpretin leisten, freischaffend zu arbeiten, leitet in Finnland sogar ein kleines, eigenes Musikfestival. Sie fühlt sich eben nicht nur auf der Opernbühne wohl. Und so fliegt sie kurz nach der Bonner Premiere bereits nach Japan, wo sie am 7. November mit dem Tokyo Metropolitan Orchestra in Jean Sibelius' „Kullervo“ zu hören ist. Dass sie mit diesem Werk ein Stück musikalische Heimat mitnehmen kann, freut die finnische Sängerin besonders.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, im Bonner Opernhaus. Karten für „Carmen“ gibt es bei Bonnticket.

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