Musical Dome Carlus Padrissa lässt Wagners Parsifal in magische Bilderwelt eintauchen

KÖLN · Es gibt kaum ein musikalisches Werk, das sich weniger zum Soundtrack eines Formel-1-Rennens zu eignen scheint als das getragene Vorspiel zu Richard Wagners Parsifal. Wenn Regisseur Carlus Padrissa beide Welten in seiner Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels für die Kölner Oper im Musical Dome durch eine Videoeinspielung zusammenzwingt, wirkt das deshalb höchst irritierend.

 Verführerische Blumenmädchen in Klingsors Zaubergarten: Parsifal (Marco Jentzsch) schaut staunend zu.

Verführerische Blumenmädchen in Klingsors Zaubergarten: Parsifal (Marco Jentzsch) schaut staunend zu.

Foto: KARL FORSTER

Padrissa spricht mit dem Film, der den tödlichen Unfall Ayrton Sennas 1994 in Imola zeigt, ein zentrales Motiv aus dem Parsifal an: das des Mitleids. Zu den Filmbildern lässt er vier leblose, an Seilen festgezurrte Gestalten auf und ab schweben, als bewegten sie sich in einer Welt zwischen Diesseits und Jenseits.

In solch surrealistisch anmutenden multimedialen Bilderwelten erkennt man die Handschrift der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus, deren Gründungsmitglied Padrissa ist. Unter anderem haben sie Wagners "Ring" in Valencia in magische Fantasy-Bilder übersetzt, oder - vor zwei Jahren in Köln - Karlheinz Stockhausens "Sonntag" aus dem Opernzyklus "Licht".

Die Herkunft aus dem Straßentheater wie auch die Inszenierung großer Events prägt die eigenwillige Fura-Theaterästhetik bis heute. Das ist auch im Kölner Parsifal zu sehen, etwa wenn Kundry auf drei artistisch zu einem Schimmel verschmolzenen Statisten durch die Lüfte reitet, und natürlich in den raumgreifenden Bühneninstallationen Roland Olbeters.

Der Fura-dels-Baus-Künstler hat für die Inszenierung ein tribünenartiges Gerüst entworfen, das sich samt der darauf aufgereihten, in weiße Schutzkleidung gehüllten Statisten-Hundertschaft über die Bühne schieben lässt. Die vier Tribünenteile fügen sich nach Belieben zu einer beeindruckenden Menschenkuppel zusammen oder drängen wie Schiffsbüge zum Bühnenrand.

Bemerkenswert sind auch die in sich beweglichen Hightech-Objekte, deren in grünes und rotes Licht getauchte skulptural wirkende Architektur Klingsors Zaubergarten mit seinen verführerischen Blumenmädchen im zweiten Akt effektvoll schmückt.

Padrissa nutzt die Bilder durchaus für eine eigenständige Deutung des Bühnenweihfestspiels. Besonderes Augenmerk richtet er auf die schwierige Beziehung zwischen Titurel (Young Doo Park mit sonorer Bass-Stimme), dem Gründer der Gralsritterschaft, und dessen verwundeten Sohn Amfortas. Der Regisseur will darin Wagner und Nietzsche wiedererkennen. Den Bruch zwischen den beiden Männern inszeniert er als eine Art Vatermord.

Nachdem die Gralsritter Amfortas nach einem Trauermarsch durch die Publikumsreihen den Leichnam Titurels zu Füßen legen, machen sich Figuren in Krähenkostümen (Chu Uroz) gierig über den eindeutig als Wagner zu identifizierenden Toten her (was gerade im aktuellen Jubiläumsjahr eine ziemliche Provokation darstellt). Und Parsifal? Er trägt Züge von Nietzsches in einem der vielen Textprojektionen zitierten "Übermenschen". Im dritten Akt kehrt er buchstäblich als Lichtgestalt in den Gralsbezirk zurück, wo er zum neuen Gralskönig gesalbt wird.

Gesungen wird der Titelheld von dem großartigen Tenor Marco Jentzsch, der die Partie wunderbar lyrisch anlegt und mit tiefem musikalischen Empfinden ausstattet. Die Schmerzensausbrüche des Amfortas bei der Gralsenthüllung setzt Boaz Daniel mit starkem Ausdruck um. Und wenn der Bass-Bariton in der Kölner Inszenierung außerdem dem finsteren Klingsor seine Stimme leiht, ist das wie ein Blick in die Nachtseite von Amfortas' Seele.

Als Kundry war Dalia Schaechter kurzfristig für die erkrankte Mezzosopranistin Silvia Heblowetz eingesprungen und nutzte die Chance für eine packende Darstellung dieser rätselhaften und vielschichtigen Frauenfigur. Dass am Ende der Oper ein unbekleidetes Double im Gralsgefäß planscht, ist unter den wenigen verunglückten Szenen der Inszenierung zu verbuchen.

Als Gurnemanz ist der finnische Bassist Matti Salminen ein Ereignis. Vorbildlich in der Textverständlichkeit und stimmlich ausdrucksvoll gestaltet er seine langen Monologe. Daneben ist es seine vornehmste Aufgabe, Brotteig zu kneten, den er im dritten Akt in einen riesigen Backofen schiebt. Am Ende verteilt die Komparsenschaft das Brot wie zum Abendmal an das Publikum, das die Premiere mit vielen Bravo-Rufen und auch einigen Buhs aufnahm.

Ungeteilte Zustimmung gab es für die musikalische Seite. Vor allem auch für Gürzenich-Chef Markus Stenz, der trotz der schwierigen Akustik der Übergangsspielstätte mit seinem Orchester einen packenden Wagner-Klang produzierte, atmosphärisch dicht, transparent und glühend emotional. Den Chor hatte Andrew Ollivant bestens vorbereitet.

Auf einen Blick

Die Oper: Wagners 1882 uraufgeführtes Bühnenweihfestspiel Parsifal sollte laut Verfügung des Komponisten ausschließlich in Bayreuth aufgeführt werden.

Die Inszenierung: Carlus Padrissa setzt alle multimedialen Hebel in Bewegung, um eine magische Bilderwelt zu erzeugen.

Die Musik: Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester erzeugen einen großartigen Wagnerklang, das Sänger-Ensemble des Kölner Parsifal ist großartig.

Info: Weitere Termine: 5., 7., 11. und 14. April, Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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