Ausstellung im Museum Ludwig Bühne für die Kunst

Köln · Neues Format "Hier und Jetzt": Der Österreichische Bildhauer Heimo Zobernig verstellt im Kölner Museum Ludwig Räume und Gänge und baut der Kunst eine Bühne. Sein Projekt startete in Venedig und Bregenz, und ist nun verwandelt in Köln zu sehen.

 Werke des Österreichischen Bildhauers Heimo Zobernig sind in Köln zu sehen.

Werke des Österreichischen Bildhauers Heimo Zobernig sind in Köln zu sehen.

Das dürfte jedem einmal gut tun. „Grundreflexion, Grundskepsis, sich einfach mal fragen: Was machen wir da eigentlich?“ Dieser goldene Tipp zur Lebensführung stammt von Yilmaz Dziewior, dem Direktor des Kölner Museums Ludwig, der seinem Haus eine produktive Denkpause verordnet hat. Und rät, „einen Schritt nach hinten zu treten und zu hinterfragen, wie diese Institution Museum Ludwig funktioniert“. Für diese Übung will er „einen Slot pro Jahr freihalten“, sprich: einen Spielraum bieten, in dem kurzfristig, interdisziplinär und frei nachgedacht wird.

Und zwar „aus der Logik der zeitgenössischen Kunst entwickelt, mit der Freiheit, andere Akteure zuzuziehen“, wie der Ludwig-Chef gestern bei der Vorstellung der Reihe „Hier und Jetzt“ erklärte. Einmal pro Jahr will Dziewior das Format bespielen, im Jubiläumsjahr soll es zwei Einheiten geben. Auf drei Jahre sei die Finanzierung gesichert, sagte Kurt von Storch, Vorsitzender der Gesellschaft für Moderne Kunst, die die Reihe so lange finanzieren will.

Den Auftakt macht eine hintergründige, um nicht zu sagen: im besten Sinne ironisch-hinterhältige Installation des Österreichers Heimo Zobernig. Im Herbst folgt „Hausbesuche“ mit Kunst im privaten Kontext: Künstler suchen sich ihre Orte.

Zobernig hat sich für seinen aktuellen Einsatz eine Flucht von drei Räumen ausgesucht, die er durch schwarzglänzende Podeste mit dem vorgeblich hehren Vorsatz, der Kunst einen Sockel, eine Bühne zu geben, in seinem Sinn uminterpretiert, die Raumfolge letztlich zerstört.

Der Bildhauer Zobernig setzt seine der Funktion nach eigentlich der Kunst dienen sollenden Sockelelemente so ein, dass sie Räume verstellen, zum Teil unzugänglich machen. Mancher gewohnte Gang endet in der Sackgasse, mancher Raum ist nur noch durch Sehschlitze wahrnehmbar. Zobernig spielt die Dominanz seiner sperrigen Podeste und Raumteiler augenzwinkernd aus.

Während der Betrachter mit Einschränkungen zu kämpfen hat, bekommt die Kunst, die Zoberning aus der Kölner Sammlung ausgesucht hat, schöne Spielräume. Man entdeckt Césars aufragende Schrott-„Compression“ in einer abgelegenen Nische, Aristide Maillols keck ausschreitende nackte Badende spiegelt sich im Schwarz eines Raumteilers. Auf einer Bühne führen Claes Oldenburgs weiches Waschbecken, die sich verwandelnde Daphne von Renée Sintenis und ein Designerstuhl von Isa Genzken eine Art Performance auf, beäugt von Hans Uhlmanns „Vogel“, der mit Pablo Picassos Keramik-Eule im Abseits steht. Mario Marinis Reiter und ein bronzenes „Concetto Spaziale“ von Lucio Fontana bespielen einen Raum, von dem durch Zobernigs Eingriff nur noch ein Schlauch übrig ist.

Das Projekt hat eine interessante Genese und einige Wendungen hinter – und vor sich. Als Dziewior noch Chef des Kunsthauses Bregenz war, wurde er als „Kommissär“ des österreichischen Pavillons der Kunstbiennale Venedig 2015 berufen. Dziewior lud Zobernig ein. Der näherte sich dem zwischen Historismus und Modernismus stehenden Bau von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter subtil, aber doch sichtbar: Rundbögen, Decke, Treppen wurden durch schwarze Holzkonstruktionen verschalt, der Raum wurde gleichsam purifiziert, beruhigt. Mancher nahm die Eingriffe gar nicht wahr. Mit einer Woche Überlappung zeigte damals auch das Kunsthaus Bregenz Zobernigs schwarze Raumelemente, die nun aus schwarz-glänzendem Wabenkarton nachgebaut wurden.

Diesmal erschienen Zobernigs Elemente zur massiven, raumgreifenden Skulptur verdichtet, physisch durchaus bedrohlich über den Köpfen der Besucher. Aus dem venezianischen Architekturkorrektiv war eine autonome, sehr dominante Skulptur geworden. In Köln, das die Bregenzer Version recycelt und verändert hat, ist nun eine Art Zwitter zu sehen: dienend und dominant zugleich.

Die Zobernig-Tournee geht weiter. Zur Architekturbiennale in Venedig wird der „alte“ Zobernig von 2015 wieder zu sehen sein. Der gesparte Etat soll in ein architektonisches Konzept für Flüchtlinge fließen, meint Zobernig. Politisch korrekt ist das unbedingt, aber: Muss Kunst politisch korrekt sein?

Museum Ludwig, Köln; bis 22. Mai. Di bis So 10-18 Uhr. Eröffnung: morgen, 19 Uhr

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