Bonner Schulprojekt ergänzt Premiere von Polly Stenhams Familienstück "That Face"

Ein Bonner Schulprojekt ergänzt die Premiere von Polly Stenhams Familienstück "That Face" in der Werkstatt

  Eine Familien-Zerfallsgeschichte  erzählt Polly Stenham in "That Face" (Probenfoto). Am Mittwoch ist Premiere in der Werkstatt.

Eine Familien-Zerfallsgeschichte erzählt Polly Stenham in "That Face" (Probenfoto). Am Mittwoch ist Premiere in der Werkstatt.

Foto: Thilo Beu

Bonn. Jacob hat mal wieder eines dieser typischen Familienwochenenden vor sich. Er setzt seinen MP3-Player auf und fährt von der Schule nach Hause, wo ihn seine Mutter mit ihrem neuen Lover erwartet.

Später besucht er seinen leiblichen Vater, der seit Jahren seinen Scheidungskummer mit Alkohol betäubt. Nach dem Wochenende ist allerdings nichts mehr, wie es war. Jacobs Vater hat sich umgebracht, und sein Sohn ist einsamer denn je. Es ist die kurze und scharf beobachtete Geschichte eines Scheidungskinds, die Melissa und Irene sich ausgedacht haben.

Die beiden 18-jährigen Schülerinnen gehen in die 12. Klasse des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in Bad Godesberg und nehmen derzeit an einem Schulprojekt des Schauspiels Bonn zu Polly Stenhams Stück "That Face - Szenen einer Familie" teil.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopIm Zentrum des Stücks steht der 18-jährige Henry, der sich um seine Mutter Martha kümmert. Seit der Trennung von ihrem Mann Hugh, der nun mit neuer Freundin in Hongkong lebt, ist sie Alkoholikerin und klammert sich fast inzestuös an ihren Sohn. An Henry zerrt aber auch seine Schwester Mia, die mit ihrer Freundin Izzy gerade einer Mitschülerin eine Valium-Narkose verpasst hat.

Als Hugh einfliegt, um "die Dinge zu klären" und Martha in die Psychiatrie zu bringen, droht Henrys mühsam gezimmertes Familienleben zu implodieren.

Das Erstlingswerk der 21-jährigen Autorin ist ein hartes realistisches Stück, das Scheidung, Alkoholismus und inzestuöses Begehren nicht im Prekariat, sondern in der Mittelschicht verortet. Insofern lag es nah, dass Theaterpädagogin Yvonne Schwartz die Bertolt-Brecht-Gesamtschule, das Konrad-Adenauer- und das Amos-Comenius-Gymnasium ansprach.

So unterschiedlich die Schulen, so unterschiedlich dann auch die Arten der Auseinandersetzung mit dem Stück, die die Schüler wählten und in einer Präsentation in der Werkstatt zeigten. Eine Gruppe hatte sich Biografien zu den einzelnen Figuren ausgedacht, die sie nun in Ausschnitten vortrug.

Vier Mädchen der Gesamtschule stellten ihre Varianten der ersten Szene zwischen Mia, Izzy und ihrer Mitschülerin vor; ein Trio vom Konrad-Adenauer Gymnasium spielte dieselbe Szene mit Verve nach und wurde dafür mit viel Beifall bedacht.

Dass dabei mehr als nur Betroffenheitsstudien zum Vorschein kamen, zeigt vor allem aber die Geschichte von Melissa und Irene. Beide halten Polly Stenhams Stück durchaus für realistisch und kennen auch Fälle aus dem Bekanntenkreis.

Mit ihrer Neufassung hätten sie sich bewusst für eine Familiengeschichte entschieden, sagt Melissa; Mobbing als Thema sei zu "ausgeleiert", ergänzt Irene, die an einem Literaturkurs teilnimmt. Bei allem Verständnis für Henry können sie allerdings nicht nachvollziehen, wieso er bei seiner Mutter bleibt.

Zum Abschluss zeigten die Schauspielerinnen Maria Munkert und Anastasia Gubareva, die die Rollen der Mia und Izzy derzeit unter der Regie von Jens Kerbel proben, ihre Version der Eingangsszene.

Polly Stenham: "That Face", Premiere in der Werkstatt am 27. Mai

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