Bonn packt's an Bonner Kultur auf dem Prüfstand

Ring frei: Im Internet tauschen sich die Bürger darüber aus, welchen Stellenwert sie der Kultur in Bonn einräumen. Von den 767 Sparvorschlägen, die im Web bei "Bonn packt's an!" zur Debatte stehen, kreisen etwa 100 um die Kultur.

Bonn packt's an: Bonner Kultur auf dem Prüfstand
Foto: Thilo Beu

Bonn. Der Bürger stellt seinen Haushalt auf. Das suggeriert jedenfalls die Initiative von Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, eine sehr breit gelagerte Umfrage über Ausgaben der Stadt Bonn in den Jahren 2011 bis 2015, zu denen der Bürger seit dem 18. Januar Stellung nehmen soll.

Hintergrund ist ein enormer Spardruck, der nahezu alle Kommunen trifft. Bis zum 16. Februar ist das Internet-Portal "Bonn packt's an!" für Vorschläge, Abstimmungen und Kommentare geöffnet. Fast 10 000 Bürger haben sich inzwischen angemeldet, Über 130 000 Besuche und fast 400 000 Bewertungen verzeichnet die Seite.

Die Zauberzahl heißt 767: So viele Sparvorschläge stehen im Internet bei "Bonn packt's an!" zur Debatte, weniger als 100 davon kreisen um die Kultur. Man muss unterscheiden zwischen Vorschlägen der "Redaktion", dahinter verbirgt sich die Kulturverwaltung, sprich Hans-Jakob Heuser, und solchen von Bürgern, die nur durch ihren Nutzernamen vertreten sind. Die meisten Bürger-Vorschläge werden von Heuser kommentiert und eingeordnet. Es geht ums Sparen und den totalen Kahlschlag, zur Diskussion werden vereinzelt auch kreative Einnahmequellen in die Abstimmung gegeben.

Wie funktioniert Bonn packt's an? Bis Mittwoch kann jeder im Internet unter www.bonn-packts-an.de Vorschläge einbringen, bis zum 16. Februar kann jeder diese dort kommentieren und bewerten. Voraussetzungen: Teilnehmer müssen sich mit einem Nutzernamen und Passwort anmelden. Wer keinen eigenen Internetzugang hat, kann die städtischen Infoterminals zu den üblichen Öffnungszeiten benutzen. Die 50 bestbewerteten Vorschläge werden nach Abschluss der Online-Phase geprüft und gehen dann in die politischen Gremien. tSetzte sich die radikale Sparfraktion durch, bedeutete das das Aus für die meisten Bonner Kulturinstitutionen. So würden bei einem Wegfall des Betriebsmittelzuschusses für Oper, Schauspiel und Tanz in fünf Jahren 66,9 Millionen Euro zusammenkommen. Ein abgewickeltes Orchester würde 19,2 Millionen Euro bringen, ein geschlossenes Kunstmuseum brächte 21,1 Millionen, das Stadtmuseum 2,9 Millionen Euro. Das sind freilich Zahlen auf dem Papier, keine dieser Institutionen ließe sich von heute auf morgen abwickeln.

Die Bürger stimmen dennoch auf "Bonn packt's an!" ab, kurioserweise halten sich bei vielen Vorschlägen die Pro- und Contrabewertungen die Waage. Zur Disposition stehen die Zuschüsse für die freien Gruppen (12,2 Millionen Euro in den Jahren 2011 bis 2015), fürs Frauenmuseum (810 000 Euro), für die Musikschule (14,1 Millionen Euro) und der Ankaufsetat des Kunstmuseums, das jährlich 150 000 Euro ausgibt.

Der "Bürgerhaushalt" umfasst auch viele Positionen, die nicht konkret beziffert werden können. So wird vorgeschlagen, das Ernst-Moritz-Arndt-Haus anders zu nutzen oder Stadt- und Kunstmuseum zusammenzulegen. Das Beethovenfest, das für sich gesehen nicht in der Diskussion steht, sollte, so ein Bürgervorschlag, alle drei Jahre statt jährlich stattfinden.

Die Opernvorstellungen könnten sich Sponsoren-Kurzauftritten oder -Clips öffnen. Eine Schließung der Kammerspiele wird ebenso diskutiert wie eine Umwandlung der Oper in einen Musical-Dome. Statt Vorführungen in der Oper möchte ein Bürger lieber Einspielungen aus der New Yorker Met im Kino sehen. Und die Beethovenhalle könnte dank Sponsoren einen neuen Namen bekommen: DHL-Arena, Solarworldtempel, Telekomhalle oder Pizzahut-Teller, so der Vorschlag eines Bürgers. Thomas Kliemann

Leicht fällt dem Bonner Bürgern der Verzicht nicht, wenn es um die Kultur geht. Das zeigen Abstimmungsverhalten und Kommentare auf der Internetseite "Bonn packt's an". Der von der Verwaltung eingebrachte Vorschlag, die Mittel fürs Beethoven Orchester zu streichen oder zu kürzen, spaltet die Nutzer: 549 sind für den Vorschlag, aber 637 sind für den Erhalt der Einrichtung im bisherigen Umfang. Während das Lager der Gegner naturgemäß eine homogene Einheit ist, sind die Befürworter des Sparvorschlags alles andere als eine einheitliche Gruppe.

Das zeigt ein genauerer Blick auf die Kommentare. Unter den Befürwortern von Kürzungen gibt es welche, die Mittel für ein vergleichsweise moderates Absenken des Zuschusses um zehn oder 15 Prozent vorschlagen, andere wollen das Orchester gleich komplett abschaffen. "Jeder muss sehen, wo er bleibt...", findet Nutzer(in) "billalein". Und weiter: "...find ich ok! Dann muss das Orchester eben sehen, dass es ökonomisch arbeitet. Wie jeder andere Gewerbebetrieb auch."

Diese radikale Meinung fordert natürlich einigen Widerspruch heraus. "willibald" argumentiert etwa: "Oje ... ein Orchester ist kein Gewerbebetrieb. Es ist eine Kulturinstitution. Aber keine Kulturinstitution kann ihre Kosten einfahren. Keine Schule, kein Museum, kein Theater, keine Uni und auch kein Orchester. Aber wo wären wir ohne das alles?"

Während der Vorschlag der Verwaltung noch recht moderat im Ton diskutiert wird, fallen die Kommentare zu "pitters" Anregung, die Zuschüsse für "Theater/Oper etc." zu kürzen, deutlich schärfer aus. Besonders hart geht "nickelodeon" mit dem Bonner Opernbesucher ins Gericht: "Das Problem wird sein, dass diese ,kulturinteressierte Minderheit' die bestvernetzte Elite Bonns ist und die am lautesten ,Skandal!' rufende Einheit sein wird und so jede Diskussion schon im Keim erstickt werden wird. Es darf aber gern über Jugendtheater und Kulturförderung für sozial Schwache geredet werden, solange ich nicht den ,Geldsäcken' ihren Opernbesuch teuer sponsern muss."

"Der Stammtisch tobt sich aus", meint hingegen "drbonner". "Also, ich bin Geringverdiener und liebe das Theater. Der Vorschlag zeugt einfach von aggressivem, pauschalem Ressentiment gegen ,die da oben'. Bibliotheken werden prozentual wahrscheinlich auch vom Bildungsbürgertum mehr genutzt - also auch die zumachen?"

Vor der Fülle der Dikussionsbeiträge streckt "klausi1809" verzweifelt die Waffen: "Hilfe! Alles doppelt und dreifach!!!", klagt er. "Fasst bitte die Einträge mit gleichem und ähnlichem Inhalt zusammen. Das ist ja der reinste Wahnsinn sonst."

Die KostenDie Teilnahme an "Bonn packt's an!" ist kostenlos, sieht man von den Steuergeldern ab, die die Bürgerbefragung kostet. 72 000 Euro bekommt die Berliner "Zebralog" für die Einrichtung der Seite und Auswertung. "Zebralog" hat bereits die Bürgerhaushalte von Köln, Essen, Solingen, Bergheim und Lichtenberg organisiert. "1,5 Leute", so Monika Hörig vom Presseamt der Stadt Bonn, sind exklusiv mit dem Bonner Bürgerhaushalt beschäftigt. Außerdem moderieren Koordinatoren aus sechs Dezernaten den Spar-Blog der Bürger. Die Verwaltung stellt auch etliche eigene Vorschläge zur Diskussion.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort