Bonner Konzerte begeistern Publikum

Etta Scollos Stimme weint in der Harmomie, "Paganini der Oboe" heißt es in der Redoute, Yumi Shoji beeindruckt mit Kunstliederabend, Blechmusik vom Balkan erkling in der Bundeskunsthalle, und "Young Stars" musizieren im Kammermusiksaal.

Bonner Konzerte begeistern Publikum
Foto: dpa

Haus der Springmaus. Wenn Etta Scollo singt, dann weint ihre Stimme, wütet, tanzt, lacht und flucht. Die sizilianische Sängerin singt Gedichte und Geschichten aus ihrer Heimat, voller Poesie und kraftvollen Bildern.

Mit beeindruckender gesanglicher Erzählkraft und stimmlichem Ausdruck stellte Scollo ihr Programm "La Puisia Siciliana" vor und verzauberte das Publikum im ausverkauften Haus der Springmaus.

Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, Siziliens Poesie vom Mittelalter bis heute zu präsentieren, Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden. So vertont und interpretiert sie mittelalterliche arabisch-sizilianische Lieder aus der Zeit, als die Araber die Insel beherrschten. Ebenso leidenschaftlich arrangiert und singt sie Werke zeitgenössischer Dichter wie Ignazio Burgaretta und Biagio Guerrera sowie Lieder der Volkssängerin Rosa Balistreri.

Die stimmliche Bandbreite der Künstlerin ist enorm und durchweg hoch energetisch: Wunderschön, wenn sie melancholisch Guerreras Gedicht über das Heimweh eines Baumes singt, der seine Wurzeln sucht - ihre Stimme kehlig, tief und rau.

Spielend wechselt sie in glasklare und hohe Intonierung, wenn sie eine Volksweise singt, die besagt, Tanzen sei eine Therapie für alles. Begleitet von einem ausdrucksstarken kleinen Ensemble (Cathrin Pfeifer am Akkordeon, Susanne Paul am Cello und Multiinstrumentalist Hinrich Dageför) schafft Scollo intensive Bildwelten. Jede davon erzählt von der leidenschaftlichen Verbundenheit mit dem eigenen Land. Julia Wehner

Redoute. "Paganini der Oboe" war der Abend in der Redoute etwas hochtrabend betitelt, doch galt das unbescheidene Epitheton nicht explizit François Leleux, der zusammen mit der Harfenistin Isabelle Moretti ein vielseitiges und spannendes Programm mit Werken aus Romantik und Moderne spielte. Gemünzt war es vielmehr auf Antonio Pasculli, mit dessen "Ommagio a Bellini" Leleux und Moretti ihr Konzert beschlossen.

Das Publikum war aus dem Häuschen, wofür man sich mit einem Werk des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera bedankte. Klangliche Opulenz, melodische Fülle und harmonischer Wohlklang von Pascullis Hommage an den Opernkomponisten wussten Leleux und Moretti mustergültig zu gestalten. Auch Jacques Iberts Entr'acte oder der Suite Bergamasque von Claude Debussy. Leleux sensibler Oboenton korrespondierte bestens mit Morettis in jeder Hinsicht feinnervigem und subtilem Harfenspiel. Guido Krawinkel

Kammermusiksaal. Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen, fällt den Japanern erstmal nicht leicht, wie bei der Blumenübergabe im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses zu beobachten war.

Bei Yumi Shoji (Mezzosopran) ist dies zum Glück etwas anders, die aus Liebe zum deutschen Kunstlied einen Liederabend mit Liedern von Beethoven, Schumann, Mendelssohn Bartholdy und Brahms "Zum 200. Geburtstag von Robert Schumann" gab. Stets erwies sie sich dabei als sensible Gestalterin mit Gespür für den richtigen Ausdruck. Zuweilen litt in den lebhafteren Liedern wie Beethovens "Neue Liebe, neues Leben" ein wenig die Textverständlichkeit. Vergessen machte das aber so hoch dramatische Momente wie in "Der schwere Abend" von Schumann, in den Shoji mit Leichtigkeit die ganze Tiefe ihres Mezzosoprans legte.

Die "dunklen Wolken" konnte Elisabeth Föll am Flügel dazu wunderbar illustrieren. Schumanns volksliedhaft schlichtes "Lied eines Schmiedes" kontrastierte die "Einsamkeit", die Föll mit verminderten Akkorden untermalte und das ebenso existenzielle "Immer leiser wird mein Schlummer" von Brahms. Thomas Kirchhoff

Bundeskunsthalle. "Entfesselte Blechmusik vom Balkan" begleitete im Forum der Bundeskunsthalle die Ausstellung "Byzanz: Pracht und Alltag", und der Titel verhieß tatsächlich nicht zu viel.

Vier gut gebaute Herren - Monel Trifan (Tuba), Constantin Cantea (Tuba), Constantin Calin (Tenorhorn) und Laurentiu Ivancea (Baritonhorn) - der zwölfköpfigen Bläserformation "Fanfare Ciocârlia" betreten zunächst die Bühne und stimmen ein langsames Intro an, dass ebenso gut auch mystisch aus dem unsichtbaren Graben des Bayreuther Festspielhauses hätte erklingen können.

Sie bilden das satte Bassfundament, zu dem sich nach und nach Ioan, Oprica, Daniel Ivancea (Klarinette/Saxofon), Radulescu Lazar, Pancirel Constandache, Costica Trifan (Trompete/Gesang), sowie Nicolae Ionita und Costel Ursu (Drums) hinzugesellen.

Mit nicht selten mehr als 200 Schlägen pro Minuten rauschen die Läufe vorüber, die schon nach der dritten Nummer im ausverkauften Forum viele zum Tanzen vor der Bühne animiert. Thomas Kirchhoff

Kammermusiksaal. Überfallsartig begann Ausgabe Nr. 7 der Reihe "Young Stars" im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses: "Subito" nämlich hatte Witold Lutoslawski seine letzte, vor seinem Tode 1992 noch vollendete Komposition (für Violine und Klavier) genannt, welche insbesondere im Violinpart höllische Schwierigkeiten bereithält.

Kein Problem für den 1986 in Lettland geborenen Georg Sarkisjan, der, umsichtig, ja geradezu väterlich begleitet von dem in Bonn lebenden Pianisten James Maddox, alle technischen Klippen grandios umschiffte.

Zur Nagelprobe wurde Beethovens c-Moll-Sonate aus op. 30, wo paritätisches, kammermusikalisches Miteinander gefordert ist. Auch hier war es wieder Maddox, der Impuls gebende heimliche Initiator, der nachhaltig auf Einhaltung der Satzbezeichnungen drang: mächtiges Brio in Kopf- und Finalsatz, Sensibilität im Adagio, kontrolliertes Temperament im Scherzo. Fritz Herzog

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