Bonner Barbaren-Panorama

Rheinisches Landesmuseum schlägt mit "Die Langobarden" dramatisches Kapitel der Völkerwanderung auf

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Foto: Franz Fischer

Bonn. Belohnt wird der lange Parcours durch die Ausstellung "Die Langobarden. Das Ende der Völkerwanderung" mit dem Blick in die kostbare Handschrift "Historia gentis Langobardorum", die der Gelehrte Paulus Diaconus um 796 vollendet hatte. Aufgeschlagen in dieser Geschichte des langobardischen Volkes ist die einzige Miniatur des Buches.

So verblasst wie dieses Bild gibt sich auch die Überlieferung der immer noch rätselhaften Langobarden: Im Jahr 4/5 n. Chr. siedelte der germanische Stamm an der Niederelbe; fassbar bleibt er bis weit in das 2. Jahrhundert hinein, ehe er für drei Jahrhunderte in historischer Dunkelheit versinkt und weder schriftliche noch materielle Zeugnisse hinterlässt.

Nach 488 formiert sich unter dem tradierten und nun auch Identität spendenden Namen der Langobarden ein neues Volk aus elbgermanischen Gruppen, das sich in Niederösterreich niederlässt. Die Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum vollzieht mit ihren Schaustücken diesen Zeitsprung nach.

Aus dem Fürstengrab von Apensen (bei Stade) stammt ein bronzener Mischeimer, ein römisches Importstück aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Das Frauengrab von Freundorf dagegen liefert mit Fibeln, Ketten und einer stattlichen Kugelbauchflasche bereits Beigaben langobardischer Produktion aus dem 6. Jahrhundert. Grundsätzlich speist sich die Ausstellung aus Grabfunden.

Sie wiederum lassen auf eine gesellschaftliche Hierarchie von Handwerkern, wofür das Schmiedegrab von Poysdorf und die Grabbeigaben eines Goldschmiedes sprechen, von Kriegern und Fürsten schließen. Wie aufwendig Krieger bestattet wurden, belegt das Grab von Maria Ponsee mit den zwei Pferde-Zaumzeugen. Unter diesen Beigaben ist der so genannte Tierstil I erstmals fassbar, der sich hier in stilisierten, streng symmetrisch angeordneten Vogelköpfen äußert.

Im 6. Jahrhundert expandieren die Langobarden in die ehemals römische Provinz Pannonien, in das heutige Ungarn. Hier wurden erstrangige Werke der Kleinkunst geborgen. Im Fürstengrab von Veszkény zeigt sich erneut der Tierstil I, der sich in einem Männergrab vom westlichen Plattensee wiederholt. Die wiederum symmetrisch geschmiedete Gürtelschnalle trägt auf ihrer nicht sichtbaren Unterseite eine griechische Inschrift.

Einem elitären Stand muss auch die bestattete Dame der "Kezthely-Kultur" angehört haben; ihr gaben die Überlebenden unvergleichliche Goldjuwelen bei. Der vielteilige Gürtelschmuck und eine Gewandfibel erweisen sich als Importe aus dem osteuropäischen und dem byzantinischen Kulturraum. Die scheibenförmige Gewandfibel trägt das Bild des Heiligen Georg, also ein christliches Motiv. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen ziehen die Langobarden unter ihrem legendären König Alboin in das byzantische Norditalien.

Ihrem gewaltigen Marsch schließen sich 20 000 Sachsen, pannonische Romanen und andere Volksgruppen an. Für den Zusammenhalt dieser großen Völkerwanderung war weniger die ethnische Herkunft als vielmehr der Erfolg des Heeres von Bedeutung. Im Jahr 568 gelingt dem charismatischen König Alboin die Eroberung weiter Teile Norditaliens. Das Relief in einer monumentalen Silberschale aus Verona zeigt allerdings einen siegreichen byzantinischen Reitersoldaten, der zwei langobardische Fußkrieger besiegt.

Grabfunde sind es wieder, die von der Völkerverschmelzung in Norditalien künden. Die Langobarden übernehmen die romanische Gewandung und tauschen ihre traditionellen Bügelfibeln gegen Scheibenfibeln aus. Dem kriegerischen Wesen dieser Epoche steht das hohe Ansehen der Frauen, das sich immer wieder in ihren exklusiven Schmuckbeigaben äußert, nicht entgegen.

Vielleicht schwingt die Erinnerung an den Gründungsmythos mit, nach dem kein König, sondern die weise Frau "Gambara" den ursprünglich aus Skandinavien stammenden "Langbärten" vorgestanden hat. Dass es so etwas wie einen Rücktransfer kultureller Ideen aus Italien in den Norden gab, lässt sich dem Paar langobardischer Bügelfibeln aus dem Frauengrab im nahe gelegenen Rommerskirchen entnehmen.

Dem gedrängten Reliefstil solcher Kleinkunstwerke entspricht der horror vacui in der Steinskulptur, wie die Stirnplatte des Pemmo-Altars aus der Johanneskirche in Cividale demonstriert. In der Architektur tradierten die Langobarden ein angepasstes römisches Formengut in die karolingische Renaissance des späten 8. Jahrhunderts.

Rheinisches Landesmuseum Bonn 22. August bis 11. Januar 2009; Di bis So 10 bis 18, Mi 10 bis 21 Uhr; Katalog 19,90 Euro

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