Ausstellung in der Bonner Ermekeilkaserne Blick hinter die Fassade

BONN · Die Videoausstellung „Appell“ von Alexander Steig findet ihren Platz in der Ermekeilkaserne, wo Franz Josef Strauß einst residierte. Der im Ausstellungsnamen enthaltene „Appell“ soll dazu anregen, sich intensiv mit der Geschichte Deutschlands auseinanderzusetzen.

 Alexander Steig vor seinen Video-Installationen.

Alexander Steig vor seinen Video-Installationen.

Foto: ga

Von der kahlen, weißen Wand in der Ermekeilkaserne blicken dem Betrachter die überdimensionierten Augen eines Mannes entgegen. Der Blick ist ernst, die Augen sind von Falten umgeben, die Augenbrauen buschig. In der Ecke des leeren Raumes leuchtet das rote Lämpchen einer veralteten Handkamera – bei der Videoprojektion an der Wand handelt es sich um die Liveaufnahme einer Autogrammkarte aus den fünfziger Jahren.

Sollte der Betrachter ihn nicht ohnehin schon an seinen Augen erkannt haben, verrät die Unterschrift auf der Karte die Identität des Gezeigten: Franz Josef Strauß, 1988 verstorbener CSU-Chef und bayerischer Landesvater.

In der Ermekeilkaserne ist bis zum 20. März die Ausstellung „Appell“ von Alexander Steig zu sehen. In seiner vierteiligen Videoinszenierung, die Teil der vom Künstlerverein „Moving Locations“ kuratierten Ausstellungsreihe zum Standort Ermekeilkaserne ist, beschäftigt sich der Münchner Künstler posthum mit bekannten und weniger bekannten Persönlichkeiten der jüngeren deutschen Zeitgeschichte. Die Besonderheit: Die Identität der gezeigten Männer wird nicht auf den ersten Blick offenbart.

„Das Publikum nähert sich den Arbeiten zunächst über die präsentierten Bilder“, erklärt Steig das Prinzip der Ausstellung. „Allerdings zeigen die Videoaufnahmen bewusst nur einen kleinen Ausschnitt der Porträts und setzen diese dadurch in einen neuen, verfremdeten Kontext.“ Die tiefere Bedeutung und der eigentliche Hintergrund der Porträts könne erst durch die bewusste Wahrnehmung der Bildquellen aufgeschlüsselt werden.

Im ersten Ausstellungsraum beispielsweise, stehen sich zwei veraltete Schwarzweißfernseher gegenüber. Die dort gezeigten Männer scheinen sich gegenseitig in die Augen zu blicken. Steig inszeniert in dieser Anordnung einen Kontrast, denn während der eine Fernseher den verstorbenen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer als Entführungsopfer der RAF zeigt, ist auf dem zweiten Bildschirm das Bild des jungen Schleyer als Mitglied der SS zu sehen. Der Hintergrund beider Bilder kann jedoch, ähnlich wie bei der Autogrammkarte von Franz Josef Strauß, erst durch die Lektüre der Bildquellen eingeordnet werden, in diesem Falle ein Zeitungsartikel über die RAF-Entführung und ein Buchartikel über die nationalsozialistische Vergangenheit Schleyers.

Steig arrangiert eine mediale Kontrollsituation, durch die er den von ihm so empfundenen „Fluch und Segen“ der neuen Medien spiegeln will. Die heutige Medienlandschaft sei geprägt von einer Schnelllebigkeit und zuweilen oberflächlicher Recherche. Der im Ausstellungsnamen enthaltene „Appell“ soll jedoch weniger journalistische Arbeit kritisieren, sondern dazu anregen, sich intensiv mit der Geschichte Deutschlands auseinanderzusetzen. In der Ermekeilkaserne gelingt dem Künstler dabei eine besondere Verknüpfung mit den historisch bedeutsamen Räumen: Franz Josef Strauß residierte einst selbst als Bundesverteidigungsminister im Obergeschoss der Kaserne.

„Appell“ von Alexander Steig, Ermekeilstr. 27, Do bis So, 16 bis 19 Uhr, bis 20. März.

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