Lit.Cologne: Gespräch mit Don Winslow Bittere Wahrheiten

Köln · „Ich mag Deutschland und fand es reizvoll, Szenen etwa in Erfurt und Lüneburg zu erfinden": Gespräch mit dem Schriftsteller Don Winslow über seinen neuen Detektivkrimi „Germany“, den er in Köln vorstellte.

 Entspannt trotz höchster Arbeitsbelastung: Don Winslow. FOTO: GEISER

Entspannt trotz höchster Arbeitsbelastung: Don Winslow. FOTO: GEISER

Foto: Geiser

In seinem epischen Thriller „Das Kartell“ hat er die Opfer des Drogenkriegs ge stapelt, doch danach brauchte Don Winslow Abstand. „Schon beim ersten Teil, ,Tage der Toten', dachte ich, das Schlimmste vom Schlimmen geschrieben zu haben. Ich wollte nie wieder zurück in diese Welt, in die es mich doch wieder gezogen hat – und diesmal war es noch übler.“

Kann man seinen aktuellen Detektivroman „Germany“ (Droemer, 379 S., 14,99 Euro), den er nun auf der Lit.Cologne vorstellte, somit als literarische Entspannung bezeichnen? „Nicht unbedingt. Wenn ich nun zum zweiten Mal über Frank Decker und seine Vermisstensuche in der ersten Person schreibe, ist das durchaus herausfordernd: Ich kann nie die Perspektive wechseln, ich gehe dorthin, wo der Held geht, und auch der Leser erfährt alles erst, wenn Decker es herausfindet.“ Von der Idee eines dubiosen Erzählers hält der amerikanische Autor nichts: „Nein, in diesem Genre muss es der aufrechte Mann sein, der durch eine korrupte Welt geht.“ So hat er zur Vorbereitung alles von Raymond Chandler und Ross MacDonald gelesen, „auch um zu sehen, wie sie Kampfszenen schrieben, denn die sind im der ersten Person viel unmittelbarer. Da kannst du nicht mit der Kamera zurücktreten, um alles klarer zu sehen“.

Decker sucht diesmal Kim Sprague, die schöne Frau seines inzwischen reichen Irak-Kriegskameraden Charlie, der ihn aus einem brennenden Panzer zog. Und er gerät ins Revier gieriger Immobilienhaie sowie ins knallharte Sex-Business. War viel Recherche nötig, musste er etwa das im Buch erwähnte Kölner Bordell besuchen? „Nein, die schockierende Erkenntnis war, wie viel in diesem Geschäft über das Internet geht. Man kann dort schneller eine Frau kaufen als ein Paar Schuhe.“

Die Story beginnt im Millionärsghetto Coral Gables/Florida, doch dann kommt „Germany“. Warum? „Erstens mag ich Deutschland und fand es reizvoll, Szenen etwa in Erfurt und Lüneburg zu erfinden. Dann sollte ein guter Krimi neben der äußeren immer auch eine innere Suche haben, die den Helden mit sich selbst konfrontiert. Frank ist Irak-Veteran, wurde verwundet und kam ins US-Lazarett Landstuhl“, das bei Kaiserslautern liegt.

Es geht also um die Dämonen der Vergangenheit – und um einen reizvollen Kontrast: „Alles, was Frank in dieser pastellfarbenen Floridawelt unter blendender Sonne glaubt, entpuppt sich als falsch. Ich wollte ihn in eine winterliche, dunklere, substanziellere Welt schicken, in der er die Wahrheit findet.“

Der 1953 geborene Autor hält persönlich nichts von Waffen. „Ich mag sie nicht und besitze keine, ich hatte nur mal für zwei Wochen ein Gewehr geliehen, als ein Berglöwe um unsere Ranch bei San Diego strich.“ Aber Frank ist bewaffnet und gegenüber russischen Mafiosi keineswegs zimperlich: „Er tut, was er tun muss.“

Und wie findet Winslow die richtige Dosis der Gewaltdarstellung? „Es ist schwierig, hängt natürlich auch davon ab, ob man Plots erfindet, oder wie bei den Drogenthrillern mit wahren Begebenheiten zu tun hat. Bei der Vorarbeit für ,Das Kartell' habe ich allerdings Dinge erfahren, die zu schrecklich waren, um sie beschreiben zu können. Es ist immer ein Balanceakt zwischen notwendiger Härte und Gewaltpornografie, und ich bin dabei auch schon auf der falschen Seite des Drahtseils gelandet.“

Der 62-Jährige hofft, „dass Mexiko seinen Frieden findet und Amerika und Europa eine vernünftige Drogenpolitik jenseits der Prohibition entwickeln – denn die steigert nur den Profit der Dealer. All das würde mich als Autor hoffentlich aus diesem Geschäft nehmen“. Denn es gibt genug zu tun: weitere Decker-Bücher, dann einen großen Einzelroman, „der zu drei Vierteln fertig ist“, zudem muss die Hollywood-Version des „Kartells“ (Regisseur: Ridley Scott) begleitet werden. Und nicht zuletzt „sprechen William Friedkin und ich über die Verfilmung von ,Frankie Machine'“.

Dem Gespenst der Langeweile dürfte Don Winslow so schnell nicht begegnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort