Extremistengruppe IS Bilder für den "heiligen Krieg"

In seiner Propaganda zeigt sich der "Islamische Staat" im Irak und in Syrien (IS) in vielen Spielarten, von denen im Westen bisher eher nur die spektakuläreren und gewaltbezogenen wahrgenommen werden.

 Die Realität des Krieges: Iraker in den Trümmern der von der IS zerstörten Denkmäler in Mosul.

Die Realität des Krieges: Iraker in den Trümmern der von der IS zerstörten Denkmäler in Mosul.

Foto: dpa

Doch die über vielfache Kommunikationskanäle verbreitete Propaganda der Dschihadisten hat auch weitere Facetten, die die Gotteskrieger - vor allem in den Augen der Bewohner der von ihnen eingenommenen Gebiete - in einem anderen Licht erscheinen lassen sollen. So haben die Propagandisten des IS ihren Eroberungszügen von Beginn an mehrere Videoserien gewidmet, die sich weniger mit der militärischen Schlagkraft der Islamistenmiliz befassen und in denen die Macher sogar wie Reporter auftreten. In unaufgeregtem Ton wird hier mit den Kampfgenossen gesprochen, die sich durchgehend als koranfest und häufig auch als äußerst redegewandt präsentieren.

Die Kämpfer sprechen meist ein makelloses Hocharabisch. Ihre verschiedenen Akzente und Physiognomien lassen auf all die Länder schließen, aus denen sie stammen: Neben Arabern unterschiedlicher Herkunft sind es auch Bosnier, Albaner und Mujahedin aus den zentralasiatischen Republiken. Interviewt werden neben den eigenen Leuten auch mit den Extremisten sympathisierende Passanten in den Ortschaften, in denen sie die Kontrolle übernommen haben. Solche Aufnahmen suggerieren eine heile Welt, in der - da sie nun von den Boten des angeblich wahren Islam regiert wird - alles mit rechten Dingen zugeht.

In der bisher 50 Folgen umfassenden Videoserie "Fenster zu den Ländern des Krieges" - gemeint ist der Dschihad - wirbt die Kampforganisation für sich als Friedensstifterin. Hier jubelt stets die einheimische Bevölkerung den in ihren Toyota-Pick-ups vorbeifahrenden Dschihadisten zu. Man ist bemüht, den Eindruck zu erwecken, dass im IS-Staat Normalität herrscht, wovon auch Aufnahmen belebter Märkte zeugen sollen. In anderen Sequenzen wehen schon, ob auf zentralen Gebäuden, Stadtparkzäunen oder Verkehrsinseln, die schwarzen IS-Fahnen: Im Dschihad-Staat, so die Botschaft, herrscht Ordnung.

Und die bedeutet vor allem eines: Unterwerfung und Gehorsam gegenüber dem "Islam" - in der IS-Version, versteht sich. Beliebtes Motiv im Siegesalbum der islamistischen Eroberer ist das Ritual der "Baia", des Treueschwurs, den angeblich immer mehr Iraker dem jüngst ausgerufenen Kalifat leisten. Ein möglichst breites Spektrum der neuen Anhängerschaft wird hier gezeigt, wobei Stammesführer aus dem Westirak zumindest bis vor kurzem eine der wichtigsten Gruppen bildeten. Die Zeremonie der Treuebezeugung wird in der Regel nicht nur mit Fotos, sondern auch auf Video, einschließlich Interviews, dokumentiert. Offenbar sollen diese Aufnahmen über ihre propagandistische Funktion hinaus auch als internes Beweismaterial dienen für den Fall, dass der eine oder andere Clan dem IS die Gefolgschaft wieder verweigert.

Die Netzpropaganda der sunnitischen Eiferer gewährt auch Einblick in die Methoden, mit denen sie auf lokaler Ebene ihre Botschaft verbreiten. Es werden Informationsbroschüren unters Volk gebracht, vorzugsweise auch im Rahmen eigens veranstalteter "Koranfestivals", auf denen ganze Familien - Männer und Frauen räumlich voneinander getrennt - einem IS-Rezitator lauschen. Großen Wert scheinen die Dschihadisten auf den Aufbau lokaler Netze einheimischer "Medienoffiziere" zu legen, die die Aufgabe haben, audiovisuelles Propagandamaterial an die Bevölkerung zu verteilen.

Charakteristisch für die Medienpolitik des IS ist auch die Art, wie er sich Bürgerjournalismus-Initiativen einverleibt, die ursprünglich von Demokratieaktivisten ins Leben gerufen wurden. So beispielsweise das im syrischen Raqqa operierende Raqqa Media Center (RMC), das bis zur Ankunft der Islamistenmiliz von säkularen Assad-Gegnern betrieben wurde.

Bis zum Frühjahr noch, ehe er dann spurlos verschwand, meldete sich sein Leiter Abu Oday al-Raqi regelmässig mit eigenen Reportagen auf Youtube. RMC sendet indes unter gleichem Namen fröhlich weiter. Zu sehen sind, meist unkommentiert, patrouillierende IS-Leute oder Luftangriffe Assads, über die schon al-Raqi immer wieder berichtete. So sorgen die neuen RMC-Herren für Kontinuität, überraschten unlängst aber auch mit einem Novum: dem Start einer IS-Radiostation für die Region Raqqa, die aber noch in der Testphase zu sein scheint.

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