Besser als Hass IV

Der Bonner Kabarettist Dave Davis (37) erobert zurzeit als afrikanischer Toilettenmann Motombo die deutschen Bühnen. In seinem Heimattheater Pantheon startete er am Wochenende eine neue Veranstaltungsreihe.

 Dave Davis.

Dave Davis.

Bonn. Der Bonner Kabarettist Dave Davis (37) erobert zurzeit als afrikanischer Toilettenmann Motombo die deutschen Bühnen. In seinem Heimattheater Pantheon startete er am Wochenende eine neue Veranstaltungsreihe.

Im März stand er bereits in Dresden, Düren, Bielefeld auf der Bühne, zwischendurch bei Stefan Raabs „TV Total“ und Mathias Richlings „Satiregipfel“, am Wochenende eine neue Reihe im Pantheon, danach weiter mit der Tournee.

Dave Davis, Kabarettist aus Bonn, hat zwar Tontechnik studiert und bisher überwiegend Musik produziert, doch seit zwei Jahren ist er hauptberuflich afrikanischer Toilettenmann in einem Hamburger-Laden. Dieser Motombo Umbokko ist ein sympathischer Kerl, der zwischen Urinal und Waschbecken die Welt erklärt.

Dave Davis ist groß und schwarz, er trägt Wollmütze und trinkt Tee im Café auf dem Bonner Münsterplatz. Er lacht viel, und er hat auch allen Grund dazu. Denn sein Motombo hebt gerade richtig ab. Mit Dave Davis sprach Heinz Dietl.

General-Anzeiger: War Motombo-Darsteller Davis schon mal in Afrika?

Dave Davis: Ja. Zum ersten Mal vor zehn Jahren. In Uganda.

GA: Und? Wie war’s?

Davis: Sehr interessant. Besonders angenehm ist der Umstand, dass ich dort nicht groß auffalle. Und ich spreche die Sprache. Nach der Landung sitze ich im Taxi, höre im Radio die Werbespots – und verstehe alles.

Dave Davis live Solo mit „Spaß um die Ecke“, Pantheon, Montag, 12. April, 20 UhrGA: Selbst die Dialekte?

Davis: Ja. Auch wenn ich in Deutschland einen Ghanaer oder Marokkaner treffe, höre ich ihm sofort seine Herkunft an. Das ist, wie wenn ein Bayer zu mir sagt: Jo mei, host gsoff’n.

GA: Wo haben Sie die Sprache gelernt?

Davis: In Bonn bei meinen Eltern. Sie wollten immer zurück nach Uganda, jetzt leben sie dort. Die Sprache heißt Luganda und mein Stamm Baganda. Wenn ich eine Frau hätte, die Amanda hieße, wäre die Sache perfekt. Mit Amanda in Uganda auf der Veranda.

GA: Gibt es noch andere Verwandte in Uganda?

Davis: Unzählige. Wenn ich dort jemanden überfahren würde, wäre es bestimmt ein Verwandter von mir.

GA: Und was sagt die Familie dazu, dass ein Mitglied in Deutschland als afrikanischer

Toilettenmann Furore macht?

Davis: Sie finden es super. Meine Mutter ist zum Prix Pantheon angereist, und dann gewinne ich gleich zwei Preise. Sie war stolz. „Mein Jung-ge“, hat sie gesagt. Aber so klingt das auch bei spanischen Müttern.

GA: Wie ist Motombo eigentlich entstanden?

Davis: Durch eine Liste. Ich habe eine Aufstellung von zehn Dingen, die ich erledigt haben will, bevor ich auschecke, also die Erde verlasse. Zur Eigenmotivation hatte ich auch zwei Dinge aufgeschrieben, die ich bereits erledigt hatte: Bungee Jumping und vom Zehner springen. Noch nicht erledigt war der Wunsch, einmal vor Publikum eine Comedy-Nummer zu spielen.

GA: Wie setzt man einen solchen Wunsch um?

Davis: Über eine Suchmaschine bin ich bei der Offenen Bühne in der Bonner Pauke gelandet. Und es hat funktioniert. Ich hatte eigentlich vor, den Motombo als Hobby weiterzuführen. Dass er aber so durch die Decke geht, überrascht mich selbst.

GA: Was ist das Erfolgsrezept?

Davis: Jürgen Becker hat einmal gesagt: „Man darf gerne politisches Kabarett machen, muss aber auch mal einen Witz erzählen können.“ Das hat mir imponiert. Mir war aber auch klar, dass ich mich nicht auf die Bühne stellen kann, um den Leuten zu erzählen, wie ich mit meiner Freundin bei Ikea Kerzen gekauft habe.

GA: Warum nicht?

Davis: Weil das Publikum zuallererst mit meiner Hautfarbe beschäftigt ist. Man muss das thematisieren, weil die Leute sonst einfach zu lange brauchen, um auf dich einzusteigen. Hautfarben erleichern aber auch den Zugang zu neuen Themen.

GA: Wo liegt der Vorteil?

Davis: Die Hautfarbe macht meine Texte glaubwürdiger. Beispiel: „Neulich hat mich jemand gefragt, ob ich afrikanische Wurzeln haben - Darauf ich: Nee, ich habe mit dem Rauchen aufgehört.“

GA: Wie wichtig ist Motombos afrikanischer Akzent?

Davis: Ich wollte nie oberlehrerhaft daherkommen und auch nicht anderen Menschen erklären, ob sie in Bezug auf meine Maximalpigmentierung „Neger“ sagen dürfen oder nicht. Meine Entscheidung, den Motombo als sympathischen Underdog anzulegen, war deshalb goldrichtig.

GA: Darf man „Neger“ sagen?

Davis: Sagen darf man alles. Nur lässt das, was du sagst, immer Rückschlüsse zu – auf deine Person, deine Bildung, deine Einstellung. „Neger“ ist ein veralteter Begriff. Er wirkt bei mir nicht. Wenn ich Schneeketten höre, zucke ich nicht zusammen. Aber es gab eine Zeit, da wurden Menschen in Ketten gegen ihre Willen verschleppt.

GA: Motombo stammt aus Nfuddu. Warum ein fiktives Land?

Davis: Mickie Krause hat wegen seines Liedes „Finger im Po, Mexiko“ einen Brief vom mexikanischen Botschafter erhalten. Das wollte ich umgehen. Und: Bei Nfuddu kann ich mir selber die Geografie ausdenken, die Politik, die Riten.

GA: Welche Riten haben die Menschen in Nfuddu?

Davis: Wenn du eine Frau suchst, gehst du auf die Straße und fängst dir eine. Das ist echtes Speed Dating.

GA: Bei Motombo wird Hartz IV zu „Hass IV“. Entsteht dadurch der politische Biss?

Davis: Motombos Radebrechen befreit die Aussagen von der Grammatik. Und ich kann Sätze bauen, wie ich lustig bin, etwa: „Eure Politiker nennt man doch auch Volkszertreter.“

GA: Manche Menschen reagieren darauf verunsichert. Spüren Sie das?

Davis: Ja, aber ich provoziere es nicht. Da erzählen mir Leute beiläufig, dass sie beim „Schwarzfahren“ erwischt worden sind – und zucken zusammen. Sie machen sich mehr Gedanken als ich. Es gibt beide Extreme: Leute, die diskriminieren, und Leute, die überbewerten.

GA: Motombo wirkt naiv, aber glücklich. Was macht ihn so zufrieden?

Davis: Er weiß, worauf es ankommt. Klar, auch er hätte nichts gegen einen Porsche. Nur weiß er, dass ein Porsche keinen Einfluss auf sein wahres Glück hat. Wichtiger ist die Zeit, die ich habe, meine Beziehung zur Familie. Motombo sagt: „Ich arbeite auf Toilette - stinkt, aber macht Spaß und ist besser als Hass IV!“

GA: Wie groß ist die Gefahr, auf Motombo festgelegt zu sein?

Davis: Kein Problem, ich will es im Moment nicht anders. Das Publikum liebt und will Motombo. Es ist unglaublich, die aktuelle Tour ist ausverkauft. Der Prix Pantheon war ein Ultra-Beschleuniger.

GA: An diesem Wochenende starten Sie eine neue Reihe im Pantheon. Was steckt hinter „Next Generation“?

Davis: Kabarett und Comedy mit Musik, Motombo und tagesaktuellen Themen. Meine Partner sind Markus Barth, ein richtig fähiger Autor, und Christian Schiffer, ein guter Imitator. Hier werde ich mit Sicherheit auch eine neue Figur präsentieren.

GA: Wie politisch sind die aktuellen Themen?

Davis: Das geht von Westerwelle bis Vorratsdatenspeicher.

GA: Kann Motombo das Wort überhaupt aussprechen?

Davis: Vo-at-date-speiche, ne? Aber im Ernst: Es ist völlig abwegig, die Bevölkerung unter Verdacht zu stellen – allein mit der Begründung, die Daten irgendwann einmal gebrauchen zu können. Mir geht das zu weit.

GA: Wir versuchen trotzdem, ein paar private Davis-Daten zu ermitteln: Verheiratet? Wenn ja, mit wem? Kinder?

Davis: Kinder wären eine Überlegung wert. Heiraten? Weiß nicht.

GA: Wo ist das Problem?

Davis: Meine Freundin ist Fachanwältin für Familienrecht.

Zur PersonGeboren am 30. Januar 1973 in Köln: „40 Jahre nach Hitlers Machtergreifung, auf den Tag genau.“

Er wächst in Bonn auf. Die Eltern stammen aus Uganda und leben seit einiger Zeit wieder in Afrika.

In Köln studiert er Recording Arts, „das ist eine Mischung aus Tontechniker und Tonmeister“. Abschluss Bachelor.

Davis spielt Klavier und Gitarre, komponiert eigene Songs.

Er arbeitet freiberuflich als Toningenieur, Musiker und Produzent. Schreibt und produziert Songs u. a. für Boy-groups wie Part Six, komponiert Klingeltöne und produziert Hörbücher.

Debütiert 2007 in der Pauke mit dem Toilettenmann Motombo. Es folgen Auftritte auf anderen Offenen Bühnen in NRW. 2008 geht er auf Tour mit der Night-Wash-Truppe. TV-Auftritte.

Erhält 2009 zwei Auszeichnungen beim Prix Pantheon sowie den Kleinkunstpreis „Tegtmeiers Erben“.

Davis ist Mitglied im Pantheon-Ensemble.

Seit Dezember ist er mit seinem Solo-Programm „Spaß um die Ecke“ unterwegs.

Hobbys: Klavier. „Ich habe mir eine russische Lehrerin genommen, die mich peitschen soll“.

Privat: Lebt mit Freundin Maude in der Südstadt. Bonn ist für ihn der ideale Wohnort: „Beethoven, Museumsmeile, der Rhein - ich wüsste nicht, warum ich woanders leben sollte“

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