Gürzenich-Orchester Berauschendes Spiel

François-Xavier Roth scheint schöne Gesten zu lieben. Sein erstes Konzert als fest bestallter Gürzenich-Chef machte mit Boulez/Bruckner auf die Spannweite seines Repertoires aufmerksam.

 Elegante Solistin: Khatia Buniatishvili in Köln.

Elegante Solistin: Khatia Buniatishvili in Köln.

Foto: Brill

Das Festkonzert im September war eine Sympathieerklärung an Köln und ihr städtisches Orchester, bündelte es doch Werke, die in Gürzenich-Veranstaltungen uraufgeführt wurden. Auch das aktuelle Konzert warf einen lokalstolzen Blick zurück.

Die Ouvertüre zur Oper "Der Deserteur" erinnerte an den romantischen Komponisten Ferdinand Hiller, lange Jahre auch Leiter des Gürzenich-Orchesters. Nach der Kölner Premiere (1865) verschwand das Werk, möglicherweise zu Recht. Aber die Ouvertüre ist ein kleines Schmuckstück, dem man auch künftig gerne mal begegnen würde.

Ihr frühromantischer Tonfall ist sicher nicht besonders individuell. Aber die sanfte Idyllik der Einleitung lässt schwelgen, die anschließenden Forte-Ausbrüche bieten kriegerische Stimmung, worauf bereits der Titel der Oper verweist. Die Musiker spielten die Pièce engagiert, Roth hob die teilweise sehr schönen Farben der Musik (Holzbläser) gebührlich hervor.

Hiller besaß einen konservativen Geschmack, "Avantgardisten" seiner Zeit wie Hector Berlioz waren ihm suspekt. Franz Liszt fand er sogar teilweise "kaum zum Aushalten". Die jetzige Aufführung des zweiten Klavierkonzertes (A-Dur) könnte man also als posthume Wiedergutmachung ansehen - und sie geschah auf einsamer Höhe.

Solistin war die 28-jährige Khatia Buniatishvili, eine elegante, löwenmähnige Frau mit Feuer in den Händen. Wie sie Forteakkorde nobel ausformte, machte die Pogorelich-Katastrophe vor einer Woche fast vergessen. Im Piano wirkte die Musik bei der Georgierin wie schimmerndes Perlengeschmeide. Durch die vielen Sechzehntelläufe raste die Pianistin mit nimmermüder Bravour. Nach dieser Darbietung stand man als Zuhörer fast wie unter Drogen. Claude Debussys "Clair de lune" war dann eine zart dahin gehauchte Zugabe.

Gegenüber Liszt hatte es der "Carnaval romain" von Berlioz bei aller Verve fast ein bisschen schwer. Dennoch war die Aufführung dieser aus dem "Benvenuto Cellini" entlehnten Musik ein gutes Zeichen für die Operneröffnung am 15. November im Staatenhaus. Von Hiller voll akzeptiert wurde Robert Schumann, er dirigierte auch dessen zweite Sinfonie. Sie erklang jetzt unter Roths energischer Hand mit Sturm und Drang. Den ersten Geigen ließ der Dirigent wegen ihrer Schwerstarbeit im Scherzo extra Applaus zukommen.

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