GA-Interview mit Kit Armstrong „Bei mir mischt sich niemand ein“

BONN · Kit Armstrong spricht im GA-Interview über die Seele der Mathematik und die Musik. Am 20. Februar gastiert der 23-Jährige, der auf den Podien dieser Welt als brillianter Pianist gefeiert wird, mit Variationswerken im Schumannhaus.

Alfred Brendel hatte den schmächtigen Jungen schon 2008 als Jahrhundertbegabung bezeichnet – inzwischen zählt Kit Armstrong 23 Jahre und wird auf den Podien dieser Welt als brillanter Pianist gefeiert. Mit 19 Jahren schloss er sein Mathematikstudium ab und hat sich im Selbststudium perfekt die deutsche Sprache beigebracht. Christoph Forsthoff hat den US-Amerikaner taiwanesischer Abstammung getroffen, der für einen Klavierabend nach Bonn kommt.

Was macht einen Jahrhundertkünstler aus?
Kit Armstrong: Ich finde diesen Begriff ziemlich bedeutungslos. In einem Jahrhundert gibt es so viele Künstler, die etwas zu sagen gehabt haben – und das sollte man schätzen, anstatt eine Reihenfolge herauszufinden von dem Ersten und Zweiten dieses Jahrhunderts. Ich bin kein Anhänger des großen Kultes vom genialen Menschen.

Empfinden Sie es denn als Last, dass Alfred Brendel Sie einen Jahrhundertkünstler genannt hat?
Armstrong: Ganz ehrlich: Es ist das erste Mal, dass ich das höre – vielleicht werde ich ihn bei unserer nächsten Begegnung fragen, was er damit gemeint hat (lacht). Auch wenn ich mir schon meiner Verantwortung bewusst bin, etwas zu schaffen, dessen Aussage über den Tag hinausgeht.

Gidon Kremer hat in seinen „Briefen an eine junge Pianistin“ geschrieben, „entscheidend für die Karriere wird das Know-how, wie man seine Begabung am besten verkauft. Dass man seine Seele gleich mitverkauft, merken nur wenige“ – sehen Sie diese Gefahr auch?
Armstrong: Bei mir mischt sich da niemand ein. Wenn ich über die Musik oder meine Karriere nachdenke, heißt das für mich, Partituren zu lesen, Zusammenhänge zu entdecken oder neu Projekte zu entwickeln: Das bedeutet für mich Beschäftigung mit Musik – alles andere ist nicht meine Sache.

Was ist das Faszinierende an der Mathematik für einen Künstler, dessen Wirken doch eigentlich mehr mit der Seele zu tun hat als mit der Ratio?
Armstrong: Die Mathematik hat genauso eine Seele wie die Musik. Man braucht Intuition, Begeisterung und einen Sinn für das Schöne, denn ohne diesen Sinn existiert die Mathematik nicht. Die reine Mathematik ist nämlich etwas ziemlich Unpraktisches: Man forscht nicht, um die Lösung für ein bekanntes Problem zu finden, sondern um schöne Sachen zu entdecken…

…weshalb Sie sich nach wie vor auch mit der Mathematik beschäftigen?
Armstrong: Aktuell nicht mehr. Nach dem Abschluss meines Studiums 2011 habe ich mich gefragt, ob ich mich weiter der Mathematik widme – was bedeutet hätte, dass ich die Musikkarriere zumindest hätte einschränken müssen – oder ob ich versuche, ganz in der Welt der Musik zu leben. Da ich letzteres sehr schön fand, habe ich mich für die Musik entschieden – und es auch nie bereit, denn mein jetziges Leben bereitet mir unendlich viel Spaß!

Spaß bereitet Ihnen offenbar auch das Komponieren, mit dem Sie schon als Kind begonnen haben – erinnern Sie sich noch, was Sie seinerzeit gereizt hat?
Armstrong: Nein, diese Gefühle sind verblasst – geblieben ist hingegen die Musik, die ich damals geschrieben habe. Jüngst habe ich in einem großen Karton mit meinen allerersten Kompositionen entdeckt und ich freue mich schon sehr darauf, mir diese Werke einmal wieder anzuschauen, in die Gefühle jener Zeit einzutauchen und so vielleicht auch meine Vergangenheit besser zu verstehen.

Was war das denn für ein Gefühl, als Kind die Uraufführung des eigenen Werkes zu erleben?
Armstrong: Ich glaube, es gab damals einige Probleme mit dem Satz der zweiten Flötenstimme, die ich mehrmals umschreiben musste, weil etwas nicht so klang, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wobei ich mich als Komponist da natürlich verteidigen muss: Vermutlich war das Orchester schuld – der Komponist hat schon immer Recht (lacht).

Sie essen und kochen für Ihr Leben gern. Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Armstrong: Meeresfrüchte! Es gibt auf dieser Welt weniges, was in mir solch überragende Gefühle erregt.

Ist diese Leidenschaft fürs Kochen und Essen ein Ausgleich für Ihre ja sonst doch sehr vom Geist dominierten Beschäftigungen?
Armstrong: (lacht) Körperlich auf jeden Fall … Neulich habe ich gemerkt, dass ich, nachdem ich Teig geknetet oder Nudeln selbst gemacht habe, keine gescheiten Tremoli mehr spielen kann. Ich kann mir diese Blockade zwar noch nicht wirklich erklären, aber es gibt offenbar Gegenbewegungen, die einfach nicht zusammenpassen.

Am Samstag, 20. Februar, 20 Uhr, spielt der amerikanische Pianist Kit Armstrong im Schumannhaus Variationswerke von Byrd, Mozart, Beethoven, Schumann und Liszt. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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