Neue Sonderausstellung Beethovens philosophische Lehrmeister

Bonn · Das Beethoven-Haus erwirbt die Sammlung der Bonner „Lese“ und zeigt sie im Museum bis zum Januar 2019.

 Alexander Wolfshohl (links) und Michael Ladenburger vor der Sammlung der Bonner „Lese“ im Beethoven-Haus. FOTO: WESTHOFF

Alexander Wolfshohl (links) und Michael Ladenburger vor der Sammlung der Bonner „Lese“ im Beethoven-Haus. FOTO: WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Und wieder eine Sammlung mehr. Das Beethoven-Haus konnte Anfang des Jahres den Bestand an Gemälden und Büchern der Bonner Lesegesellschaft, kurz „Die Lese“, erwerben. Es handelt sich um 30 Ölgemälde (vorwiegend Porträts), Grafiken des 18. Jahrhunderts, einige historische Fotos sowie den Bestand der Bibliothek, bei dem vor allem die rund 150 Bücher aus der Frühzeit der Lesegesellschaft von Interesse sind. Grund für den Verkauf: das Restaurant der „Lese“ musste Ende 2016 schließen, damit fielen wichtige Räumlichkeiten weg.

Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses, sprach bei einem Pressetermin von einer „wichtigen kulturpolitischen Entscheidung“. Die Sammlung bleibe damit als Ganze erhalten und werde künftig angemessen konservatorisch betreut sowie wissenschaftlich ausgewertet. Das Kulturministerium NRW, die Kulturstiftung der Länder, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie ein privater Förderer machten den Erwerb möglich.

Dietrich Engel, bei der „Lese“ zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, fügte hinzu, dass neben den sachlichen Erwägungen auch eine „emotionale“ Komponente eine Rolle gespielt habe. Damit spielte er auf die Bedeutung an, die der Bonner „Lesegesellschaft“ bei der Heranreifung aufklärerischen Gedankenguts beim jungen Ludwig van Beethoven, aber später auch bei der Rettung des Beethoven-Hauses zukommt. Das Beethoven-Haus gäbe es nicht ohne die Lesegesellschaft, fasste es Kustos Michael Ladenburger zusammen: „Fast alle Gründungsmitglieder, die sich 1889 zusammenfanden, um den Abriss des Beethoven-Hauses zu verhindern, waren auch Mitglieder der 'Lese'“.

Und ohne den Nährboden aufklärerischer Gruppen wie eben die „Lese“ wären die Ideen der Gleichheit der Stände, der Vervollkommnung der eigenen Talente oder der religiösen Toleranz in Beethovens geistigem Horizont wohl weitaus weniger bestimmend geworden. Nicht zuletzt verschaffte die „Lese“ dem aufstrebenden jungen Musiker einen Kompositionsauftrag: die Trauerkantate auf den Tod von Kaiser Joseph II.

Im Gasthaus "Zehrgarten" traf der junge Beethoven häufig "Lese"-Mitglieder

Diesem Themenkomplex widmet sich jetzt eine Ausstellung im Beethoven-Haus, die den Titel trägt „Lichtstrahlen der Aufklärung – die Bonner Lese-Gesellschaft. Geistiger Nährboden für Beethoven und seine Zeitgenossen.“ Kuratiert wurde sie vom Archivar der „Lese“, Alexander Wolfshohl. Er stellt darin aufschlussreiche Exponate aus der „Lese“-Sammlung in einen größeren Zusammenhang und kombiniert sie mit Leihgaben anderer Museen oder Exponaten aus dem Beethoven-Haus. Im Unterschied etwa zu Bayern, wo Lese-Gesellschaften verboten wurden, betrachtete sie der Bonner Kurfürst Max Franz seit ihrer Gründung 1787 mit Wohlwollen, mehr noch, „er schmückte sich geradezu damit“, so Wolfshohl. Zahlreiche berühmte Persönlichkeiten besuchten die „Lese“, darunter Joseph Haydn und Johann Peter Salomon. Ein Eintrag im Gästebuch der „Lese“ von 1788 bis 1821 belegt das. Beethoven war nicht Mitglied (Schüler und Studenten waren ausgeschlossen), doch eine Vielzahl seiner Lehrer und Freunde, viele Hofmusiker und etliche Professoren der Universität, nicht zuletzt Franz Anton Wegeler, ein enger Weggefährte Beethovens. In lockerer Runde wurden liberale Ideen im Gasthaus „Zehrgarten“ am Marktplatz diskutiert, in dem Beethoven häufig auf Lese-Mitglieder traf.

Die Ausstellung wartet mit zahlreichen, selten gezeigten Originaldokumenten auf wie etwa dem Matrikelbuch der Universität, in dem Beethovens Aufnahme in die Gymnasialklasse (die damals Teil der Universität waren) verzeichnet wird. Zu sehen außerdem das Autograph des „Kapliedes“ nach einem sozialkritischen Text von Christian Friedrich Daniel Schubart und die berühmte Notiz aus dem Konversationsheft von 1820, in der Beethoven in großen Lettern seine moralische Leitlinie niederlegt: „das moralische Gesez in unß und der gestirnte Himmel über unß – Kant!!!“. Die Ausstellung verfolgt das Wirken der „Lese“ etwa bis zur Errichtung des Beethoven-Denkmals 1845. Treibende Kräfte auch hier: „Lese“-Mitglieder.

Die Ausstellung ist zu sehen vom 18. Mai bis 31. Januar 2019.

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