Bonner Orchestermusiker arbeiten mit Kindern in Medellín Beethovens Fünfte trifft in Kolumbien auf urbane Straßenkultur

Bonn · Dirk Kaftan und Musiker des Beethoven Orchesters reisen nach Medellín, um mit früheren Straßenkindern und Kindersoldaten ein Kulturprojekt zu erarbeiten. Finale ist im August 2020 in Bonn.

 „Beethoven Moves“: Nelson Penedo (l.), Eva Eschweiler (vorn rechts), Rita Baus und Dirk Kaftan.

„Beethoven Moves“: Nelson Penedo (l.), Eva Eschweiler (vorn rechts), Rita Baus und Dirk Kaftan.

Foto: Benjamin Westhoff

Wenn der Name der kolumbianischen Stadt Medellín fällt, denken viele Menschen wie in einem Reflex das Wort „Drogenkartell“ mit. Es ist die Stadt, in der Pablo Escobar als Boss eines riesigen Drogenimperiums seine kriminellen Geschäfte machte, eine Stadt voller Grausamkeiten und Leid, die in einem Land liegt, das auf mehr als 50 Jahre blutigen Bürgerkrieg zurückblickt. Medellín, das lange als die gefährlichste Stadt der Welt galt, lebt heute mit einem anderen, besseren Titel: „Weltweit innovativste City“ – verliehen 2014 vom „Wall Street Journal“.

Doch Krieg und Drogenkriminalität haben ihre Spuren hinterlassen. Die Ciudad Don Bosco in Medellín ist eine Einrichtung, die sich um ehemalige Kindersoldaten kümmert, die zum Teil schwerst traumatisiert aus dem Krieg zurückkamen. Sie sind nun auch die Zielgruppe eines Projektes, das auf eine Idee der in Berlin und Bonn wirkenden Kulturproduzentin Rita Baus („Quatsch keine Oper!“) zurückgeht und Beethoven zu den Kindern nach Medellín bringen will. Dazu hat sie sich mit dem Beethoven Orchester zusammengetan, das an Dienstag nach Ostern für ein paar Tage mit einer 15 Musiker starken Gruppe und einem pädagogischen Team in die kolumbianische Provinzmetropole reist, um gemeinsam mit Straßenkindern und ehemaligen Kindersoldaten eine kreative Kultursynthese zu schaffen: Beethovens Fünfte begegnet urbaner Straßenkultur mit Tanz, Rap und Graffiti.

"Beethoven moves!"

„Ich habe mich bei meiner Arbeit schon immer sehr dafür interessiert, gegensätzliche Dinge zusammenzubringen“, sagte Rita Baus am Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts im Bonner Don-Bosco-Campus zu Füßen des Post Towers. Etwa 20 bis 30 Kinder und Jugendliche können an dem Projekt teilnehmen, das nach Vorbereitungen in Medellín im nächsten Jahr nach Bonn reisen wird. Dort wird ab Ende Juli ein Campus eingerichtet, an dem eine ebenso große Gruppe von Jugendlichen aus Bonn und der Region teilnehmen wird, die sich zuvor in Workshops darauf vorbereiten werden. Einer der wichtigsten Unterstützer dabei ist das Tanzhaus Bonn. Am 22./23. August 2020 findet dann das große Finale mit der erarbeiteten Performance (Regie: Anselm Dalferth) im Telekom-Forum statt.

„Beethoven Moves!“, so der griffige Titel des Projekts, stößt nicht nur beim Beethoven Orchester auf große Resonanz. Zuvor bereits hatte Rita Baus schon bei der Bonner Jubiläumsgesellschaft BTHVN 2020 erfolgreich dafür geworben. Die Gesellschaft zählt zu den Hauptunterstützern des Projekts, weitere Sponsoren sind willkommen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters übernimmt die Schwirmherrschaft.

Schon die Bewerbung für das Projekt habe etwas in den Jugendlichen bewegt, sagt Nelson Penedo, Geschäftsführer der Don Bosco Mission in Bonn, der bereits im Februar mit Rita Baus nach Medellín gereist war, um erste Vorbereitungen zu treffen. Viele der insgesamt über 1000 jungen Menschen, die in der Ciudad Don Bosco betreut werden, seien geprägt von dem Gefühl, nichts wert zu sein, erläutert Penedo. Sie hätten erlebt, dass ein Menschenleben nichts zähle. „Jetzt mit dabei zu sein, gibt ihnen ein enormes Gefühl der Wertschätzung. Weil sich jemand um sie kümmert.“ Für Penedo fügt sich das Projekt perfekt in die Don-Bosco-Pädagogik, die nicht zuletzt durch Angebote in Sport und Kultur die traumatisierten Jugendlichen überhaupt erst schulfähig mache.

Die Fünfte erzählt eine Geschichte

Mit Beethoven und seiner Musik ist bislang keiner von ihnen wirklich in Berührung gekommen. Und dennoch sei es für das Projekt wichtig, dass es für die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen von Bedeutung sei, findet Generalmusikdirektor Dirk Kaftan. „Beethoven erzählt eine Geschichte.“ Man habe sich bewusst für eines der bekanntesten Werke des Komponisten überhaupt entschieden, sagt Kaftan. „Die Musik der fünften Sinfonie führt von der Nacht zum Licht, sie erzählt von Tod und Leben, von Gewalt und Frieden. Und es gibt den Aspekt des Tanzes. Das sind alles Dinge, die mit den Jugendlichen etwas zu tun haben.“ Doch das Projekt soll keine kulturelle Einbahnstraße sein. Kaftan und seine Musiker fahren mit dem erklärten Willen nach Kolumbien, offen zu sein. „Vielleicht entdecken sie ja in Beethoven etwas ganz anderes als wir.“

Natürlich soll das Projekt keine Eintagsfliege sein. Die Wirkung auf die Jugendlichen werde wissenschaftlich evaluiert, erläuterte Penedo. Darauf werde dann weiter aufgebaut. Und mit dem Beethoven Orchester wolle man ähnliche Projekte auch in anderen Regionen der Welt realisieren.

Infos: www.beethoven-moves.de

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