Beethovenhalle stößt an ihre Grenzen

Concerto Köln startete unter Leitung von Ivor Bolton in der Beethovenhalle ein reizvolles Experiment.

Bonn. Größere Ausdauer, mehr Muße: Das zeichnete den Musikliebhaber des 19. Jahrhunderts gegenüber dem gemeinen Konzertbesucher von heute aus. Vierstündige musikalische "Akademien" waren in Beethovens Zeit keine Seltenheit.

Auch das Festkonzert, das Franz Liszt am 12. August 1845 zur Enthüllung des Bonner Beethoven-Denkmals in einer eigens errichteten Konzerthalle organisierte, unterhielt seine illustren Gäste mit mehr als drei Stunden Gesang, Kammer- und Orchestermusik aus der Feder des Bonner Komponisten.

Mit der Neuauflage dieser Gala startete Concerto Köln in der Beethovenhalle ein reizvolles Experiment - zumal das auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Orchester unter der Leitung von Ivor Bolton alles unternahm, um auch den Klang von 1845 wieder aufleben zu lassen.

Mit der "Coriolan"-Ouvertüre gelingt das vortrefflich. Voller Elan meißelt Concerto Köln die harten Synkopenschläge und herben Sforzati heraus, macht sich warm für eine entschlossen kämpferische fünfte Sinfonie, die ihren Schwung aus dem großartigen Streicherapparat bezieht.

Die Geigen glänzen mit dem historisch schmetternden Blech um die Wette, dagegen haben die eher matten Holzbläser keine Chance. Im zweiten Satz atmet das lyrische Thema eine herrliche Ruhe, während der letzte Satz den Zuhörer mit seinen Stimmungswechseln in Atem hält: Vor allem die von Bolton deutlich herausgearbeiteten Tempovariationen lassen immer wieder aufhorchen.

Das tut auch Chen Reiss, die mit der Seraph-Arie "Preist des Erlösers Güte" die Frage aufwirft, ob "Christus am Ölberg" nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Ihr leuchtender, in jeder Höhe perfekt modulierter Sopran vergoldet die Bravourarie mit seraphischem Glanz und liefert gemeinsam mit dem Concerto und Chorus Musicus Köln ein starkes Stück Oratorium ab.

Auf das Es-Dur-Streichquartett op. 74 hätte man hingegen gut verzichten können. So feinsinnig das Kölner Pleyel Quartett auch in die vielen Drehungen und Wendungen des Werkes hineinlauscht - alles klingt stumpf, unklar, verschwommen.

Kann sein, dass die Beethovenhalle ein schützenswertes Denkmal ist, doch für ein Streichquartett nach Art der historischen Aufführungspraxis ist ihre mangelhafte Akustik schlicht tödlich. Da macht der Hammerflügel beim abschließenden Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur seine Sache schon besser, auch wenn das alte Instrument bei aller Authentizität im Vergleich zum modernen Konzertflügel immer ein wenig so klingt wie ein Spielzeugklavier.

Aber Alexander Melnikov ist ein Meister seines Fachs. Mit irrwitziger Geläufigkeit zaubert er zart ziselierte Effekte, die von Kraft und Pathos regierte Hörgewohnheiten sanft aushebeln - ein liebenswürdiger Beethoven.

Bürger für Beethoven begrüßen 1 000. Mitglied Das Revival des allerersten Beethovenfests feierten 120 Mitglieder der "Bürger für Beethoven" vor Konzertbeginn mit einem Empfang im Kammermusiksaal der Beethovenhalle. Als 1 000. Mitglied der Gesellschaft begrüßte der Vorsitzende der Bürger für Beethoven, Manfred Jung, das Architektenteam Fischer + Summerer, bevor die Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel eine Einführung zur originalgetreuen Nachstellung des Konzerts von 1845 gab.

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