Beauty-Farm mit Schönheitsfehlern an Bonner Oper

Vera Nemirova inszeniert "L'elisir d'amore" von Gaetano Donizettis. Wasser statt Wein ist die Devise dieser vom Bonner Premierenpublikum mit viel Beifall bedachten Inszenierung.

  Unglücklich verliebt:  Nemorino (Tansel Akzeybek) himmelt seine Chefin Adina (Sigrún Pálmadóttir) an.

Unglücklich verliebt: Nemorino (Tansel Akzeybek) himmelt seine Chefin Adina (Sigrún Pálmadóttir) an.

Foto: Thilo Beu

Bonn. So konsequent politisch korrekt, dass in ihrer neuen Bonner Inszenierung von Gaetano Donizettis komischer Oper "L'elisir d'amore" Mehrwegpfandflaschen gereicht würden, will die Regisseurin Vera Nemirova dann doch nicht sein.

Immerhin jedoch dürfte es radikalen Alkohol-Gegnern eine gewisse Genugtuung bereiten, dass der "Liebestrank", den der Quacksalber Dulcamara dem verzweifelten Nemorino andreht, lediglich aus Wasser besteht.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopAbgefüllt in einer ordinären Pet-Flasche. Im originalen Libretto darf Nemorino sich noch an einer guten Bouteille de Bordeaux erfreuen.

Wasser statt Wein ist die Devise dieser vom Bonner Premierenpublikum mit viel Beifall bedachten Inszenierung, für die Ausstatter Werner Hutterli das toskanische Bauerndorf Donizettis in eine Wellness-Oase mit Palme, Liegestühlen, Kneipp'schem Wasserbecken und Sandstrand verwandelt hat.

Hier arbeitet Nemorino als Reinigungskraft, sammelt in grüner Latzhose den Müll zusammen, den Wellness-Jünger tagtäglich hinterlassen. Keine ideale Position, um bei der Oasen-Chefin Adina zu landen, geschweige denn ihre Liebesglut zu entfachen.

Infos##ULIST##

Die Oper: Donizettis 1837 uraufgeführte Opera Buffa "L'elisir d'amore" ist ein Klassiker des Belcanto-Repertoires.

  • Die Inszenierung: Vera Nemirovas Inszenierung ist eine Satire auf den Schönheitskult - aber eine mit kleinen Schönheitsfehlern.
  • Die Musik: Das Bonner Ensemble bringt eine ausgezeichnete Leistung auf die Bühne, dem Orchester fehlt es etwas an echter "Italianità".

Da hat es der aufgeblasene Sergeant Belcore etwas einfacher, der seinen militärischen Schneid am Wellness-Strand dieser Inszenierung als Kapitän ins rechte Licht rückt und bei Adina mächtig Eindruck macht.

Seine Matrosen sind - nebenbei bemerkt - hervorragende Judo-Kämpfer, ein harmloser Regieeinfall, der, wie manch anderer auch, allerdings eher verzichtbar ist. Es ist ein bisschen schade, dass Nemirova in ihrer aktuellen Arbeit gelegentlich dazu neigt, von den handelnden Figuren abzulenken.

Dabei ließe die Umdeutung des Stoffs durch die bulgarische Regisseurin, der man in Frankfurt Wagners "Ring"-Tetralogie anvertraut und die nach Verdis "Macbeth" und Gounods "Faust" bereits zum dritten Mal in Bonn inszeniert, eine noch geradlinigere Erzählweise durchaus zu.

So wie Donizetti in seiner Buffo-Oper die Leichtgläubigkeit der Landbevölkerung satirisch aufspießt, nimmt Nemirova den heutigen Schönheitswahn aufs Korn. Dafür steht vor allem Dulcamara.

Der Wunderdoktor fährt in einem großen Wohnmobil vor. Mit rhetorischem Geschick und für gutes Geld versorgt er die Leute mit allerlei Salben, Cremes und Lotionen. Vollbusige Damen mit aufgespritzten Lippen assistieren ihm, ebenso ein höchst seltsamer Muskelfasermann (Olaf Reinecke), der Gunther von Hagens "Körperwelten" entsprungen zu sein scheint und sich ein bisschen zu sehr in den Vordergrund spielt (Choreografie Bärbel Stenzenberger).

Dass Dulcamara, der von dem Bariton Martin Tzonev mit unwiderstehlich selbstbewusstem Charme und einnehmendem Kavaliers-Ton ausgestattet wird, dem etwas einfältigen Nemorino schlichtes Wasser als Liebes-Elixier verhökert, wird sich für den Betrogenen sogar als glückliche Fügung herausstellen.

Denn die Placebo-Wirkung des Getränks lässt Nemorino gleichsam über sich hinauswachsen, macht aus einer schüchternen Reinigungskraft einen selbstbewussten, strahlenden Jüngling, der nicht nur den Moonwalk perfekt beherrscht, sondern schließlich sogar das Herz der Angebeteten gewinnt.

Tansel Akzeybek verleiht ihm dabei eine wunderbare jungenhaft-unschuldige Ausstrahlung, und er spielt seine Rolle mit traumwandlerischer Sicherheit. Dazu gewinnt seine schlanke Tenorstimme mit herrlichem Schmelz.

Die berühmte Romanze "Una furtiva lagrima" sang Tansel Akzeybek anrührend schlicht und mit schönem Legato. Die Sopranistin Sigrún Pálmadóttir zeigt als Adina sehr überzeugend eine Frau, die erst ihr Herz entdecken muss, um es verlieren zu können.

Der spöttische Ton des Anfangs steht ihr dabei ebenso zu Gebote wie das tiefe Gefühl am Ende der Oper. Belcore ist musikalisch naturgemäß weniger vielschichtig gezeichnet, was Giorgios Kanaris nicht hindert, seine charaktervolle Baritonstimme wirkungsvoll zu präsentieren.

Die kleine Partie der Gianetta war mit Susanne Blattert luxuriös besetzt. Der Chor war von Ulrich Zippelius musikalisch bestens auf seine vielfältigen Aufgaben in dieser Oper vorbereitet worden und machte in der Wellness-Oase auch szenisch "bella figura".

Dem Beethoven Orchester gelangen die farblichen Abstimmungen zwischen Streichern und Holzbläsern insgesamt sehr schön, wobei Christoph Sprenger am Pult noch durchaus mehr Funken aus der Buffo-Oper hätte schlagen können.

Die nächsten Termine: 13., 19., 30. März, 9., 18. und 24. April.

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