Peter-Mertes-Stipendium Ausstellung zeigt einen Duftzwilling

Bonn · Robert Brambora und Stefani Glauber zeigen ihre originellen und eigenwilligen Arbeiten im Bonner Kunstverein.

 Vielschichtige Kunst: Robert Brambora und Stefani Glauber im Bonner Kunstverein.

Vielschichtige Kunst: Robert Brambora und Stefani Glauber im Bonner Kunstverein.

Foto: Benjamin Westhoff

Hinter dem dicken Vorhang, der den Eingang zum Kubus von der großen Halle im Kunstverein trennt, liegt in diesen Tagen ein besonderer Ort. Den Boden bedeckt helle, weiche Auslegeware, es gibt eine Schlafgelegenheit, einen Tisch, zwei Regale und mehrere Stehlampen verbreiten angenehmes Licht.

Hier könnte jemand wohnen. In der Vorstellung von Robert Brambora (Jahrgang 1984) ist dies der Fall, denn der Künstler hat sich mit seiner Installation in der Art eines Wohnraumes mit einem gesellschaftlichen Phänomen beschäftigt, das besonders (aber nicht nur) in Japan beobachtet wird.

Hikikomori werden Menschen genannt, die sich freiwillig in ihrer Wohnung einschließen und jahrelang von der Außenwelt zurückziehen.

Hinter diesem Extrem-Rückzug können unterschiedliche Gründe stecken – von psychosozialer Totalüberforderung bis zum bewussten Protest gegen gesellschaftliche Normen und Anforderungen.

Brambora kombiniert das Interieur mit großformatigen Textcollagen, in denen sich persönliche Kommentare aus Onlineforen mit Texten aus der Welt der Ökonomie mischen.

Damit ist ihm eine vielschichtige Projektionsfläche gelungen, in der sowohl Fragen nach individuellen Schicksalen als auch nach wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen möglich werden.

Auch außerhalb des geschlossenen Hikikomori-Raumes führt Robert Brambora das Thema des Protestes auf, der von der Verweigerung des Einzelnen erzählt.

Wie im Fall von Herman Melvilles literarischer Figur des fleißigen Anwaltsgehilfen Bartleby, der seinem Vorgesetzten eines Tages ein ebenso einfaches wie folgenreiches „Ich möchte lieber nicht“ entgegnet. Wie unterschiedlich eine solche Haltung aussehen kann, bis hin zur klassenkämpferischen Geste, zeigt Brambora mit einer Vielzahl von zur Faust geballten Händen, die in einer Art fiktiver, historischer Reihung die Wände füllen.

Im hinteren Teil der großen Kunstvereinshalle hat Stefani Glauber (Jahrgang 1991) eine nicht weniger spannende Arbeit ausgebreitet. Gemeinsam ist beiden Künstlern, dass sie 2018 das Peter-Mertes-Stipendium erhalten haben, eine seit 1985 ausgelobte Auszeichnung für junge Künstler im Rheinland. Dotiert ist das renommierte Stipendium mit jeweils 6000 Euro für ein Jahr und zwei Künstler, danach folgt die Ausstellung im Kunstverein.

Während ihres Stipendiumjahres begann Stefani Glauber, sich mit der digitalen Übersetzung von Geruch zu befassen. Ein weites Feld, in dem es – erstaunlich oder nicht – zwar zahlreiche Ansätze, historische Versuche und wissenschaftliche Erkenntnisse, aber keine in der Masse eingesetzten Produkte gibt. Kurz: Während wir von digitalen Bild- und Audiodateien überschüttet werden, müssen wir weiterhin meist noch analog riechen.

Stefani Glauber hat zum Thema recherchiert und Informationen zusammengetragen, die sie auf einer langen Tischfläche vor dem Besucher ausbreitet. Hier erfährt man interessante Fakten aus der olfaktorischen Welt und wird darüber hinaus Zeuge eines kühnen Wunsches der Künstlerin: „Ich möchte ein Objekt herstellen, das in Echtzeit so riecht, wie ich.“

Tatsächlich präsentiert sie den Prototyp ihres „Duftzwillings“, an dem man schnuppern kann. Ob es sich dabei um den Durchbruch in der Entwicklung von „elektronischen Nasen“ handelt, lässt die Künstlerin bewusst offen. Notwendige Fragen nach Potenzial und Gefahren der Geruchsdigitalisierung zu stellen, hält Stefani Glauber für mindestens ebenso wichtig.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22, bis 9. Juni. Di-So 11-17, Do 11-19 Uhr, Publikation 12 Euro. Künstlerführung am 19. Mai um 14 Uhr; Führung mit Kuratorin Susanne Mierzwiak am 8. Juni um 12 Uhr.

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