"Rückblende" im Haus der Geschichte Ausstellung zeigt die besten Pressefotos und Karikaturen des Jahres 2012

Bonn · Es war das Jahr der Frauen, der mächtigen, der charismatischen und charmanten. Der alljährliche Wettbewerb "Rückblende", der deutsche Pressefotos und politische Karikaturen sichtet und bewertet, hat Damen im besten Alter in den Mittelpunkt der Auswahl gerückt, die jetzt im Bonner Haus der Geschichte zu sehen ist, und spiegelt damit die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen 2012 zuteilwurde.

 2012 im Bild: Angela Merkel küsst François Hollande.

2012 im Bild: Angela Merkel küsst François Hollande.

Foto: Rückblende

Der 1985 initiierte Wettbewerb wird in Kooperation der Landesvertretung Rheinland-Pfalz mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Bundespressekonferenz und Fotofinder ausgerichtet.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auch als Fotomotiv eine herausragende Rolle spielt, dürfte nicht überraschen. Man sieht sie beim Kuss mit François Hollande, vom Wind zerzaust mit Andonis Samaras und nachdenklich bei einer Trauerfeier; feixend mit Wladimir Putin, in geselliger Runde beim Ostseerat-Gipfel und wie versteinert mit mächtigen Staatenlenkern beim G8-Gipfel in Camp David: Dass der FC-Bayern im Champions League-Finale gegen Chelsea im Elfmeterschießen unter die Räder kam, grämte die Kanzlerin (Barack Obama und David Cameron hingegen hatten ihren Spaß).

Merkel hat zumindest auf Fotos merklich an Profil und Ausdrucks-Varianten gewonnen. Die zweite Dame des Jahres ist medial gesehen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die durchaus überzeugend als Politikerin der Herzen durchgeht: Niemand zeigt Emotionen wie sie. Konzentriert im Wahlkampf, wie ein junges Mädchen pfeifend beim Endspurt, strahlend im Fernsehstudio, überglückliche Siegerin.

Der weibliche Überraschungspromi 2012 ist Daniela Schadt, Lebensgefährtin von Bundespräsident Joachim Gauck. Sie hatte keiner auf der Liste. Die First Lady kam, sah toll aus und siegte. Mit entwaffnendem Charme hat sie so manchen Fotoreporter um den Finger gewickelt: Ob Herbert Knosowski, der eine preiswürdige Porträtstudie in Schwarz-Weiß von ihr machte, oder Dominik Butzmann, der sie mit Gauck auf dem Sofa bei der Arbeit an der Antrittsrede zeigt.

Man beachte die Lesebrille, das elegante Kostüm, und wie Schadt die Hand des Präsidenten hält. Ein neuer Stil auf Schloss Bellevue. Angesichts der dominanten Weiblichkeit haben es die Herren Politiker in der "Rückblende"-Auswahl schwer. Christian Wulff sieht man nur einmal - von hinten, Peter Altmaier rustikal mit hochgekrempelten Hosenbeinen, Peer Steinbrück in unterschiedlichen physiognomischen Zuständen, aber nie souverän, der Grüne Winfried Kretschmann erscheint auf den Bürstenkopf reduziert - mit hohem Wiedererkennungswert.

Die "Rückblende"-Jury hatte ein beachtliches Angebot für die Fotopreise, und sie hat danebengegriffen. Denn das Preisträgerfoto vom Begrüßungskuss zwischen Merkel und Hollande in Ludwigsburg fällt weder durch eine raffinierte Inszenierung noch durch ein originelles Motiv auf. Der Symbolcharakter, das Einzigartige fehlen diesem Bild von Michaela Handrek-Rehle. Über das zerrüttete Verhältnis der Spitzenpolitiker sagt es letztlich nichts aus.

Stark in Ausdruck und Komposition Oliver Dietzes traurige Bergmänner (2. Preis), witzig die von Candy Welz fotografierten Karnevalisten, die gerade aus der Zeitung von Wulffs Rücktritt erfahren (3. Preis). Alex Heimken hielt einen Faxen machenden Helmut Schmidt fest und bekam ebenso einen Sonderpreis wie Michael Gottschalk für sein Foto der Kanzlerin bei einer Trauerfeier für die NSU-Opfer. Hier wurde wohl der symbolische Gehalt, die politische Korrektheit prämiert, weniger die fotografische Güte.

Auch sonst ist bei der "Rückblende" eine Verschiebung zu bemerken: Hin zu Politköpfen, weitgehend weg von Alltagsbeobachtungen und Fotografien, die über ihren reinen Nachrichtenwert hinausweisen. Breiter gefächert kommt hingegen die politische Karikatur daher, hier sind oft die Zwischentöne und die Ironie zu finden, die etlichen Fotos fehlen.

Steinbrück und Schavan, Schlecker und Schlapphüte, Energiewende und Griechenland: Die Karikaturisten hatten 2012 viel zu tun und haben glänzende Ergebnisse geliefert. Der 1.Preis ging an Gerhard Mester für seinen kranken Euro, der auf einer unendlichen Treppe immer im Kreis getragen wird.

In Reiner Schwalmes Karikatur animiert Merkel das Volk zum Pusten, um einen Windpark auf Touren zu bringen. GA-Zeichner Heiko Sakurai bekam für eine Illustration zur Frosch-Attacke Philipp Röslers in der Show von Markus Lanz den dritten Preis: Rösler sieht Merkel als Frosch, sie sieht sich selbst auch als Frosch - und Rösler als Fliege, die sie gleich verspeisen will.

Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14; bis 16. Juni. Di-Fr 9-19, Sa, So 10-18 Uhr

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