Aus dem armen Winzersohn wurde ein großer Maler

Als vor 150 Jahren die Apollinariskirche zu Remagen geweiht wurde, endete für den Königswinterer Künstler Franz Ittenbach ein neunjähriges Engagement

Aus dem armen Winzersohn wurde ein großer Maler
Foto: Holger Handt

Remagen. Bilder, Skizzen und Tagebücher des Malers Franz Ittenbach? Die Königswinterer Ratsherren winkten ab. Sie verschmähten das großzügige Geschenk, das ihnen im Jahre 1900 Ittenbachs Neffe Carl anbot.

Es handelte sich dabei um seinen Anteil am künstlerischen Nachlass des Onkels, den er abgeben wollte unter der Bedingung, ihn an geeigneter Stelle zu repräsentieren. Jahrzehnte später erwarb die Stadt Königswinter dann doch einige Gemälde, die seither im Siebengebirgsmuseum an ihren berühmten Sohn erinnern.

Allerdings: Eine seiner bedeutendsten Arbeiten ist nicht transportabel - als ein Lieblingsschüler Wilhelm von Schadows gehörte Ittenbach zu jenen Künstlern, die mit der malerischen Ausgestaltung der Apollinariskirche in Remagen betraut wurden.

Vor genau 150 Jahren, am 24. März 1857, wurde dieses Gotteshaus geweiht. Von 1843 bis 1852 hatten das vierblättrige Kleeblatt - neben Ittenbach auch Ernst Degger aus Hildesheim (1809-1885) und die Brüder Andreas (1811-1890) und Karl Müller (1818-1893) aus Ahrweiler - im Geiste mittelalterlicher Gemeinschaftsarbeit die Fresken erstellt.

69 Einzelgemälde mit rund 580 Figuren trugen die Künstler auf die Wände, das Deckengewölbe und die fensterlose Apsis der Wallfahrtskirche auf dem Apollinarisberg auf. Ittenbach verewigte dabei auch alle Namenspatrone seiner Familie, etwa den heiligen Theodor für den Vater.

Franz Ittenbach wurde am 18. April 1813 in der Heisterbacher Gasse 12, der heutigen Altenberger Gasse, geboren. Als er sechs war, verstarb sein Vater, ein armer Winzer, im Alter von nur 50 Jahren. Sein ältester Bruder Johannes hatte damals eine gute Stelle als Hauslehrer bei dem Reichsgrafen von Wolff-Metternich auf Schloss Gracht bei Liblar.

Dorthin holte Johannes seinen Bruder für ein Jahr und unterrichtete ihn mit seinen gräflichen Schützlingen. Die staunten über die Mal- und Zeichenkünste ihres Hausgenossen. Dennoch begann der junge Franz zunächst eine Lehre im Kaufmannsladen eines Bruders. Dann aber zog er mit 19 Jahren in die Düsseldorfer Kunstakademie ein. 1826 hatte Wilhelm von Schadow (1789-1862) deren Leitung übernommen.

Franz Ittenbach gehörte zur Meisterklasse. Seine Stärken waren die Portrait- und die Landschafts-, bald auch die Madonnenmalerei. Franz Ittenbach wollte ein großer Maler werden, aber oft drückten ihn auch quälende Zweifel.

Sorgfältig führte der Akademieschüler Tagebuch - mit Notizen über das Wetter, über die Verwendung seiner geringen Mittel, die sein ältester Bruder zur Verfügung stellte, über Ausflüge und Besuche in Gymnich und Königswinter bis hin zu seinen täglichen Mal- und Zeichenübungen. Bereits dem ganz jungen Maler wurden große technische Fertigkeit, Ausdruckskraft, Korrektheit in der Zeichnung sowie Anmut und Zartheit in der Darstellung attestiert.

Viel Lob gab es für das Bildnis des Erzbischofs Clemens August. Schadow erwählte 1839 Ittenbach, den in der Festung Minden einsitzenden Kölner Oberhirten zu portraitieren. Als der Königswinterer den Erzbischof auf Leinwand bannte, hatte er bereits den nächsten Auftrag, der ihm sieben Jahre lang ein gutes Auskommen versprach, in der Tasche - die ehemalige Propsteikirche auf dem Apollinarisberg mit Fresken auszumalen.

Die Meisterschüler des Akademiedirektors sollten zunächst in Rom Muster der religiösen Monumentalmalerei aus dem späten Mittelalter und der frühen Renaissance studieren, Entwürfe anfertigen und sich vom Jugendfreund Schadows, Friedrich Overbeck, berühmter Nestor dieser Kunstrichtung, beraten lassen.

Schadow wollte nun in Remagen einen Traum verwirklichen. Zunächst eine Hürde: Die Feuchtigkeit steckte fest in den Mauern der Propsteikirche. Dombaumeister Zwirner riet zum Neubau, 1839 wurde der Grundstein gelegt.

Unterdessen begaben sich die Maler nach Italien. Ittenbach reiste mit Schadow und Carl Müller. Auf dem Drachenfels wurde am 21. Oktober 1839 Abschied von Deutschland gefeiert. Ittenbach sollte seine tief gläubige und von ihm sehr verehrte Mutter, Anna Margaretha Hermanns, nie wiedersehen. Sie verstarb im August des darauffolgenden Jahres.

Die Künstler nahmen nach ihrer Rückkehr 1843 Maß im Rohbau und zeichneten die großen Kartons in den Düsseldorfer Ateliers. Dann begann die schwierige Nassputzmalerei auf Gerüsten im Innern der Kirche. Es wurde gleichzeitig an verschiedenen Stellen gearbeitet, nach einem genauen Plan, der jedem Maler seine spezielle Aufgabe zuwies.

Es müssen glückliche Tage gewesen sein. Vierstimmig sangen die Maler beim Schaffen ihre Palestrinaschen Weisen, abends streiften sie durch die Landschaft. Kunstfreunde pilgerten nach Remagen. Der preußische König Wilhelm IV. erschien im Herbst 1847 und war beeindruckt. 1854 besichtigte er die vollendete Kirche, und zur Einweihung schickte er Neffe Prinz Friedrich, den späteren Kaiser.

Wenn er genau hinschaute, konnte er auf einem Bild an der Nordwand des Langschiffes in einer Zuschauergruppe hinter Maria und Josef eine Frau im grünen Kleid erblicken. Das war des Malers junge Gattin, Elisabeth Kurz aus Ehrenbreitstein, die Ittenbach 1847 geheiratet und in der Kirche verewigt hatte.

Er gründete nach der Ära Remagen in Düsseldorf einen Hausstand. Zwar wurde ihm der Professorentitel zuerkannt, aber er war ohne Amt und Gehalt. Er musste hart arbeiten, hatte aber volle Auftragsbücher. Seine Bilder waren begehrt, selbst in Amerika, England und Frankreich. Besonders seine Madonnenbilder entsprachen der damaligen Geschmackskonvention.

Franz Ittenbach stand jedoch neben dem seelischen auch ein körperlicher Leidensweg bevor. Seine Sehkraft war stark geschwächt. Ihn plagten unerträgliche Steinschmerzen, die ihn zwangen, liegend zu arbeiten. Am 30. November 1879 starb er als erster der Remagener Künstler, die sich zeitlebens verbunden blieben. Ittenbachs Frau und die beiden Töchter überlebten ihn nur um wenige Jahre.

Wenn die Königswinterer Ratsherren die Geschenk-Offerte des Neffen auch ausschlugen: Seit 1885 befindet sich an der stilvollen Treppengiebel-Wand des Geburtshauses eine Gedenktafel. Der Wunsch Carl Ittenbachs, dort ein Museum einzurichten, erfüllte sich nicht.

An diesem Samstag, 11 Uhr, findet in Remagen anlässlich des Kirchweihfestes eine Messe mit anschließender Prozession statt.

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