Jazzfest in Bonn Auftakt mit John Abercrombie, Rolf Kühn, Eliane Elias und dem BuJazzO

BONN · Mit zwei Jazz-Veteranen, dem schon als "Gitarrengott" titulierten John Abercrombie (68) und Deutschlands Klarinettenlegende Rolf Kühn (83), ist das Jazzfest Bonn in die vierte Runde gegangen. Wer meinte, das Haus der Geschichte sei der rechte Ort für einen vermeintlich gediegenen Klassikerauftakt, rieb sich bald Augen und Ohren.

 Hommage an Chet Baker: Eliane Elias mit Marc Johnson am Bass und dem Gitarristen Steve Cardenas in der Bundeskunsthalle.

Hommage an Chet Baker: Eliane Elias mit Marc Johnson am Bass und dem Gitarristen Steve Cardenas in der Bundeskunsthalle.

Foto: Jazzfest

Denn, was geboten wurde, war alles andere als museal. Aber-crombie und sein Partner, der brillante Pianist Marc Copland (64), demonstrierten, wie spannend es sein kann, wenn sich zwei überragende Musiker von zwei Seiten her einem Stoff nähern, ihn jeder auf seine Art bearbeiten, sich irgendwann treffen und dann wieder jeder seiner musikalischen Wege zu gehen scheint.

Unglaublich ruhig und konzentriert, geschmeidig aufeinander reagierend, sich wechselseitig die Melodie- oder die Rhythmus-Rolle zuspielend, gestalteten Aber-crombie und Copland die vertrackt konstruierte Ballade "If I should lose you", das farbige "Vertigo" und "LST".

Mit "T", wie Abercrombie betonte und nicht mit "D": "Ich komme aus den 60ern und kann mich an nichts erinnern", witzelte Abercrombie über Drogen-Anspielungen. "LST" ist die Abkürzung für "Little swing Tune", ein wunderbares, federleichtes Stück, ähnlich wie der Ralph Towner gewidmete "Piano Waltz". Abercrombie und Cop-land spielten sich in einen Rausch, wurden im Laufe des Abends immer besser. Ein Jazzfest-Auftakt nach Maß.

Mit Rolf Kühn und der Formation Tri-O gab es im zweiten Konzert gehörig was auf die Ohren. Gleich mit der ersten furiosen Attacke machte der gut frisierte, smarte Herr mit Schal unmissverständlich klar, dass hier kein swingender Jazz-Opa am Werk war. Kühn ging ran, wie man ihn kennt: Kurze, treibende, aggressive Vorstöße, Soli, die das Letzte aus der Klarinette holen. Er mag das Experiment, lässt aber auch immer wieder durchblicken, dass ihm die Debatten der 60er vom klassischen zum Free Jazz und Jazzrock geläufig sind. Er hat sie schließlich mitgeprägt.

Immer wieder drehte sich Kühn milde und anerkennend lächelnd zu seinen Mitstreitern um. Tri-O, das ist der überragende Gitarrist Ronny Graupe aus Leipzig (Jahrgang 1979), der jeden Angriff Kühns aufnahm und atemberaubend weitertrieb, der virtuose Multiinstrumentalist Johannes Fink (1964 in Erlangen geboren), den man gerne auch mit einem Bass-Solo gehört hätte, und Christian Lillinger (29), der wirbelnde junge Wilde am Schlagzeug.

Unglaublich, wie er mit Kratzen und Klappern, Schaben und Schlagen das Feld mitunter auch mittels Lautstärke dominierte. Es war ein anstrengender Abend für Lillinger: Vor seinem furiosen Solo am Ende hatte er leider schon sein Pulver verschossen. Dennoch: Ein starker Auftakt zum Jazzfest Bonn.

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