Bonner Beethoven-Woche Auf einem Klavier singen: Atemberaubendes Konzert im Kammermusiksaal

BONN · Manch Sänger wird sicher ein Lied davon singen können, dass in Beethovens Vokalwerk nicht alles immer gut singbar ist. "Sehr singbar" aber heißt das Motto der Beethoven-Woche des Beethoven-Hauses. Und dass man auch auf einem Klavier singen kann, konnte man Freitagabend im voll besetzten Kammermusiksaal in einem atemberaubenden Konzert erleben.

 Junge Singbühne im Beethoven-Haus: Die Kinder- und Jugendkantorei an der Johanneskirche Troisdorf.

Junge Singbühne im Beethoven-Haus: Die Kinder- und Jugendkantorei an der Johanneskirche Troisdorf.

Foto: Barbara Frommann

Nachdem die letzten Takte von Beethovens großer c-Moll-Sonate op. 111 verebbten, sich buchstäblich aufschwangen, um in einem Nichts sich aufzulösen, schien das Publikum den Atem anzuhalten und dem gerade Verklungenen nachzuhorchen. Dann aber brachen Applaus und Jubel für Gerhard Oppitz los. "Beethoven pur" heißt das Programm mit vier Sonaten.

Dass Oppitz nicht nur ein brillanter Pianist ist, sondern ein kongenialer Beethoven-Interpret - vielleicht einer der besten unserer Tage - konnte ein dankbares Publikum erleben. Und es wurde ohrenfällig deutlich, warum Hans von Bülow seinerzeit die Sonaten Beethovens als Neues Testament der Klaviermusik bezeichnete.

Gerhard Oppitz durchmaß die ganzen Tiefen der Werke mit einer Detailgenauigkeit, die sich beeindruckend in den großen Bogen einfügte: Der scheinbar unbedeutendste Triller stand ganz im Zeichen der großen Form. Das machte gerade die abschließende C-Moll-Sonate deutlich, die der Solist zu einem musikalischen Urereignis werden ließ.

Allein die Einleitung des zweisätzigen Werkes stand in ihrer Wucht wie ein Ausrufezeichen da, dem Oppitz dann die dramatischen Kontraste folgen ließ. Die Rückkehr zur Reprise kam dabei einem emotionalen Erdbeben gleich. Schlicht und fast rezitativisch gestaltete der Pianist den zweiten Satz, der mit scheinbar heiterer Einfachheit fast keinen größeren Kontrast zum Vorangegangenen denken ließ.

Breit strömend konnte Oppitz hier die musikalische Rede entfalten, bevor sich langsam Neues einzuschleichen beginnt und sich dann unmittelbar Bahn bricht: Wenn es so hinreißend tanzfreudig gespielt wird, könnte man Strawinsky beipflichten, der Beethoven wegen dieser Stelle als Erfinder des Boogie bezeichnete.

Ganz anders als der Ausrufezeichen-Beginn dieses Werkes wurde der Anfang der "Sturm"-Sonate von Oppitz zelebriert. Wie aus einem mystischen Urgrund kommend, wurde das Motiv im Largo ins Licht gehoben. Und traumverloren geriet der Adagio-Satz fast zu einer Meditation. Zur Seite gestellt wurde dem "Sturm" die Es-Dur-Sonate aus der gleichen Opuszahl 31 mit einem perlend dahinjagenden Presto-Finale.

"Sehr singbar vorzutragen" lautet eine Anweisung Beethovens in seiner Sonate op. 90, die der Beethoven-Woche auch den Titel gab. Hier stellte Oppitz zarte Versponnenheit neben Dramatik und Pathos. Dabei wirkten gerade die Unruhe bringenden Synkopen wie ein doppelter Boden unter dem heiteren Schweben des Melos. "Beethoven pur" - und was für einer. Jan Crummenerl

Zu einem echten Publikumsrenner scheint sich die neue Beethoven-Woche des Beethovenhauses zu entwickeln. Sehr gut besucht war die nachmittägliche Junge Singbühne, bei der sechs Schulchöre Kostproben ihres vokalen Könnens gaben und das Publikum zum Mitsingen internationaler Lieder animierten.

Abends dann das gleiche Bild: voll besetzt die Stuhlreihen. Dieses Mal war das Amaryllis Quartett zu Gast, das zwei Quartette von Ludwig van Beethoven spielte und - zusammen mit der Sopranistin Katharina Persicke - das zweite Quartett von Arnold Schönberg.

Bei diesem singulären Werk tritt in den letzten beiden Sätzen eine Singstimme hinzu und steuert Gedichte von Stefan George zur expressionistischen Musik bei. Katharina Persicke erwies sich mit ihrer strahlend hellen und doch dem warmen Timbre eines Alts ausgestatteten Stimme als nachgerade ideale Besetzung für diese Musik, verband sie doch eine vorbildliche sprachliche Diktion und stimmliche Brillanz mit vokaler Perfektion.

Eine herausragende Stimme mithin, gleichzeitig virtuos und perfekt ausbalanciert, expressiv und auch charaktervoll. Das Zusammenspiel mit dem Amaryllis-Quartett erwies sich als ausgezeichnet, bei dem jungen Ensemble waren Schönbergs expressive Klanggesten in den besten Händen.

Die vier Musiker - Gustav Freilinghaus und Lena Wirth, Violine, Lea Eckels, Viola, und Yves Sandoz, Violoncello - spielten nicht nur den Schönberg mit außerordentlichem Hochdruck. Von Beethoven gab es mit dem zweiten aus op. 18 und dem op. 135 jeweils eines der frühen und eines der späten Quartette. Ein instruktiver Vergleich, zumal das Amaryllis- Quartett auch hier alles andere als halbe Sachen machte.

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