Erinnerung an Konzeptkunst-Schau von 1969 Auf die Idee kommt es an

LEVERKUSEN · Es gibt Ausstellungen, die kommen akkurat zur rechten Zeit. Das Leverkusener Museum Morsbroich - 2009 immerhin überaus verdient zum Museum des Jahres gekürt - hat diese Punktlandung schon mindestens zweimal hinbekommen.

 Tulpen.

Tulpen.

Foto: dpa

Einmal gelang das 1969, als Rolf Wedewer und Konrad Fischer mit "Konzeption Conception" in Leverkusen quasi die Mutter aller Konzeptkunst-Ausstellungen präsentierten - mit der internationalen Crème de la Crème. Dieser Szene, die dem überhitzten Oberflächenkult der Pop-Art den Charme von Geist und Idee und die Anarchie unorthodoxer Produktions- und Distributionswege entgegensetzte. Die zweite Punktlandung wird am Sonntag eröffnet.

In Zeiten, da durch Achenbach in Essen und Portigon in Düsseldorf Kunst nur noch nach dem Geldwert beurteilt wird, sich Künstlerrankings nach Auktionserlösen richten, setzt Leverkusen auf den Reiz des Immateriellen, von Ideen und kühnen Konzepten: "more Konzeption Conception now" heißt die exzellente, von Stefanie Kreuzer kuratierte Schau, Brain-Art statt Material-Art.

Mit Maria Anwander, die in Museen der Welt Kunst-Beschriftungen geklaut hat und nun zu einer imaginären Galerie ihrer Lieblinge, "My most favourite art", versammelt. Mit Sven Johne, der unter dem Titel "Following the circus" 59 verlassene Plätze eines Wanderzirkus auf einer Tournee durch Ostdeutschland fotografierte, oder mit Sara Christensen, die ein Loch in die Wand gebohrt, es schwarz ausgemalt hat und vielsagend "Potential" nennt, finden Strategien von 1969 ihre Fortsetzung. Der Reiz der Konzeptkunst hält sich erstaunlich konstant, bei den Produzenten wie beim Publikum.

Ob es Charbel-joseph H. Boutros tatsächlich gelang, einen Kubikzentimeter mondlose Nacht vom Berg Libanon in seinem Marmorblock einzufangen oder nicht, wird sich empirisch nicht nachweisen lassen. Die poetische, bezwingende Idee dahinter, deren Umsetzung und der Reiz des Spekulativen machen die Spannung aus. Bei Ceal Floyer, die Ende dieses Jahres im Kunstmuseum Bonn eine große Werkschau bekommt, besticht das Spiel mit der Sprache, ein Hauch von Anarchie: Das Schild "Do not Remove" (nicht entfernen) hängt an einer Wand mit vielen Bohrlöchern; entweder sind alle Schilder bis auf eines entgegen des Verbotes abgehängt worden, oder die Löcher sind dazu da, das Schild einfach umzuhängen.

Mit einer anderen Arbeit bezieht sich Ceal Floyer explizit auf Mel Bochner, der 1969 bei "Konzeption Conception" in Leverkusen dabei war und als Beitrag eine exakte Raumvermessung vorgenommen hatte.

Auch Floyer tut dies nun fast ein halbes Jahrhundert später, allerdings mit einem Gummimaßband, das sich unter dem Titel "Variable" jedem Raum anpassen kann. Die dritte Generation der Konzeptkünstler ist cooler geworden, hat auch technisch deutlich mehr Möglichkeiten: Christian Falsness etwa verknüpft in seinem brillanten Video Performance und Gruppendynamik mit der Ästhetik von Musikclips. Juergen Staack inszeniert per Bildübertragung eine zwei Geschosse umspannende Gesprächsperformance. Und Jonathan Monk (Jahrgang 1969) hat eine Büste im Imperatorenstil von sich machen lassen und dem Konzeptkunstpionier Pier Paolo Calzolari (Jahrgang 1943) einen Hammer in die Hand gedrückt; er möge der Skulptur wehtun (jetzt fehlt die Nase). Man kennt den Vatermord in der Kunst, hier wurde der Spieß umgedreht.

Stefanie Kreuzer zitiert den Kunstprofessor Tony Godfrey. Der meinte: "Die Konzeptkunst ist der Nervenzusammenbruch der Moderne." Die Kunst hat sich gut erholt, wie man in Leverkusen sieht. Und sie macht viel Arbeit, um mit Karl Valentin zu sprechen. Denn beispielsweise Willem de Rooij hat dem Museumsteam eine schwarze Vase und mehrere Pakete Tulpenzwiebeln dagelassen. Um die Bestückung der Vase mit je hundert schwarzen und hundert weißen Tulpen muss sich das Morsbroich-Team kümmern. Die Idee ist das eine, die Realisierung etwas völlig anderes. Auch das ist Konzeptkunst.

Wer mehr über 1969 wissen will: Die Ausstellung "Konzeption Conception" ist im Dachgeschoss liebevoll dokumentiert worden. Besser geht's nicht.

Museum Morsbroich, Leverkusen; bis 19. April. Di-So 11-17, Do bis 21 Uhr. Eröffnung am Sonntag, 12 Uhr. Katalog 45 Euro

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