Arata Isozakis Festspielhaus verspricht einen spektakulären Konzertsaal

Vier Architekten sind noch im Rennen um den Bau des Beethoven Festspielhauses - Der General-Anzeiger stellt in vier Folgen die Finalisten vor

Bonn. Arata Isozaki soll jahrelang Andy Warhols Siebdruck von Marilyn Monroe und den berühmten Kalender-Akt der Monroe von 1955 mit sich herumgetragen haben. Das kann schon sein, denn mit den Kurven der Leinwandgöttin hat sich der japanische Architekt intensiv beschäftigt.

In den 70er Jahren entwarf er den Monroe Chair (Monroe-Stuhl), ein etwas bizarres Möbelstück, das nicht unbedingt einen bequemen Eindruck macht, dessen geschwungene Rückseite aber der Silhouette der nackten Marilyn nachempfunden scheint.

Isozaki hat aus seiner Begeisterung für die Monroe, die er wahrscheinlich mit unzähligen Japanern teilt, nie ein Geheimnis gemacht. Die Filmschauspielerin taucht in jenen neun "Zitaten" auf, die für die Arbeit des Architekten nach eigener Aussage nicht unwesentlich sind.

Dazu gehören auch die Architektur Palladios und Alices Abenteuer im Wunderland, die Raumfahrt-Hangars in Cape Kennedy und der italienische Palazzo, Marcel Duchamps "Großes Glas" und die Fotografien von Man Ray, die Wolkenbügel der Architekten Lissitzky und Stam und das Yin und Yang.

Auch wenn man in dieser Aufzählung die Isozaki offenbar immer eigene Ironie berücksichtigt - sie sagt schon etwas aus über seine Welt- und Stil-Offenheit. Als sich Roman Hollenstein, der Architektur-Kritiker der Neuen Zürcher Zeitung, das von Isozaki entworfene Center Building in Tsukuba (1983) vornahm, wollte die Folge der Einflüsse und Zitate kein Ende nehmen:

"In diesem Hauptwerk der japanischen Postmoderne verschmolz Isozaki das höchst heterogene Vokabular von Michelangelo, Borromini, Ledoux, Schinkel, Charles Moore, Aldo Rossi und Richard Meier zu einem neuen Manierismus."

Das ist eine Menge. Isozakis Entwurf für das Bonner Festspielhaus - der "Rhein-Kristall" - verrät davon von außen eher wenig. Aber speziell der spektakuläre Konzertsaal hat es vielen angetan. Es ist nicht die erste Auseinandersetzung des Architekten mit einem Konzert-Raum. Im japanischen Kyoto wurde 1995 die von ihm entworfene Concert Hall eröffnet.

Da gibt es im Inneren einen nahezu klassischen Konzertsaal im Rechteck, der an der Vorderfront von einer Orgel gekrönt wird. Isozaki mag damals erste Bonn-Kontakte gehabt haben, denn das Instrument stammt von der Bonner Orgelbaufirma Klais. Die hatte sich für diesen Zweck etwas sehr Spezielles einfallen lassen: Vier der insgesamt 90 Register imitieren japanische Musikinstrumente.

Arata Isozaki selbst hat seine Arbeit als Architekt für ein Konzerthaus ganz schlicht umrissen: "Wenn ein Thema oder eine Aufgabe definiert wird", sagte er bei einem Symposium in Frankfurt, "gebe ich als Architekt natürlich mein Bestes. Wenn ein Raum für Musik geschaffen werden soll, müssen wir auch die Klangwirkungen im Kopf behalten.

Normalerweise ist die Grundlage für die Analyse, dass irgendwo ein Mittelpunkt bestimmt wird, und das ist der Platz für den Dirigenten. Von dort aus sollen die Töne in bestmöglicher Qualität in die Halle gelangen." So einfach scheint das alles zu sein.

Wer sich die Arbeiten von Isozaki anschaut, gewinnt oft den Eindruck, dass ihm die Dinge leicht von der Hand gehen, sei es das Museum of Contemporary Art (MoCA) in Los Angeles, das elegant die Formen von Kubus, Zylinder und Pyramide aufgreift, sei es die Sporthalle Sant Jordi, die Isozaki für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona baute, mit einem wellenartigen Vorbau und einem Dach, das an den Panzer einer Schildkröte erinnert, oder die National-Bibliothek von Katar, die sich wie eine Verbindung von schwebendem Raumschiff und japanischem Teehaus ausnimmt.

Ausgerechnet ein Bauwerk für Deutschland, das blockhafte Hauptgebäude der Berliner Volksbank am Potsdamer Platz, fand nicht nur Wohlgefallen. Der Berliner Tagesspiegel etwa reagierte ziemlich enttäuscht: "So haben wir uns die europäische Stadt nicht vorgestellt."

Isozakis Ruhm - sein Kollege Tadao Ando nennt ihn den "Kaiser der japanischen Architektur" - wird dadurch nicht geschmälert.

1931 in Oita, einer Stadt im Süden Japans geboren, machte Isozaki eine gleichmäßig nach oben verlaufende Karriere. Er studierte Architektur an der Universität von Tokio und fand seinen ersten Arbeitsplatz im Büro von Kenzo Tange, dem Altmeister der japanischen Architektur.

1963 machte er sich selbstständig; seitdem hat er so ziemlich alles gebaut, was man sich vorstellen kann, erst in Japan, dann, mit Beginn der 80er Jahre, weltweit: Banken und Bibliotheken, Krankenhäuser und Stadthallen, Museen und Konzerthäuser, Denkmäler und Wohnungen, Schulen und Sportanlagen.

Auch an Entlegenes hat er sich getraut, beispielsweise an Teppich-Entwürfe für die Firma Vorwerk oder an die Disco. Zusammen mit der französischen Inneneinrichterin Andrée Putman möbelte er 1985 das New Yorker Palladium auf; das Design der Getränke-Bons damals kam übrigens von Andy Warhol. Da waren die Stars unter sich.

Isozakis Entwurf: Plus und MinusAlle Entwürfe für das Festspielhaus tragen wohlklingende Namen. Arata Isozakis neues Gebäude für das Festspielhaus firmiert als "Rhein-Kristall". In der Tat: Neun gleich große Fünfecke bilden einen Kristall.

Am West- und Ost-Ende des Geländes setzt Isozaki zwei rechteckige, gläserne Bauten hinzu (für den kleinen Saal und das gemeinsame Foyer). Das fensterlose Festspielhaus mag in seiner Abgeschlossenheit und Wucht nicht jedermanns Sache sein, zumal es die Nebengebäude fast zu erdrücken scheint.

Im Inneren freilich tut sich ein wahres Wunderwerk an Konzertsaal auf - ein vielfach terrassierter Raum, der die Musik ohne Einschränkung in den Mittelpunkt stellt. Speziell unter den Akustik-Experten gehörte Isozakis Entwurf zu den Favoriten.

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