Anrüchig oder legal? "Posthume Güsse" im Arp-Museum

Ausstellung in Rolandseck präsentiert neueste Forschungen zu dem Thema

Anrüchig oder legal? "Posthume Güsse" im Arp-Museum
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Rolandseck. Wundersame Werkvermehrung, dieses Etikett ist in den letzten 30 Jahren fast zum Synonym für Bronzeskulptur der klassischen Moderne geworden.

Von findigen Nachlassverwaltern eifrig und lukrativ gepflegt, vom Kunsthandel dankbar vertrieben und von den meisten Museen dickfellig ignoriert, kursierten sogenannte posthume Güsse durch die Landschaft.

Das sind Werke, die mit oder ohne Legitimation nach dem Ableben des Künstlers entstanden sind, die er nie gesehen hat, die folglich ohne Abnahme durch ihn auf den Markt kamen.

Bei Maillol und Rodin ist das passiert, bei Kollwitz und Moore, bei Lehmbruck, Giacometti und Barlach (dessen posthume Güsse immerhin Geld in den maroden Arbeiter- und Bauernstaat spülten, denn die DDR sah sich im Besitz der Lizenz zu kopieren).

Dass das Thema der posthumen Güsse gerade bei Hans Arps Werk und speziell im Umfeld des Bahnhofs Rolandseck vehement aufkochte und seit Jahrzehnten die Stimmung vergiftet, lag wohl daran, dass der dortige Verein "Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V." in Zusammenarbeit und dann in rechtlicher Nachfolge der Arp-Witwe Margerite Arp-Hegenbach besonders aktiv bei der posthumen Werkvermehrung war.

Dass man derlei Arbeiten dann dem Land Rheinland-Pfalz für das geplante Arp-Museum verkaufte und auch noch dubiose Marmorwerke unterjubelte (die dann zurückgenommen werden mussten), hob die Affäre auf die politische Tagesordnung.

Damit und mit der drohenden Rufschädigung für das junge Arp-Museum in Remagen-Rolandseck war genug Druck vorhanden und Dynamik im Spiel, um das Thema offensiv und grundlegend anzugehen.

Am Donnerstag vermeldete der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig (SPD), der in zwei Monaten zum Oberbürgermeister von Koblenz gewählt werden will, Vollzug: "Die Diskussion nimmt jetzt einen formalen Abschluss", meinte er bei der Vorstellung des Symposiums-Berichts "Posthume Güsse" im Arp-Museum.

Auch Klaus Gallwitz, der als Gründungsdirektor des neuen Museums von Anfang an die Klärung der Werkvermehrung zu einem der großen Ziele seiner Amtszeit gemacht hatte und das Symposium im September 2008 initiierte, wirkte entspannt und fröhlich. Mission erfüllt.

Oliver Kornhoff, der als Gallwitz' Nachfolger das leidige Thema geerbt hat, freute sich, "dass die Diskussion wieder in die Kompetenz der Museen zurückgekehrt ist". Fügte aber hinzu: "Die tägliche Museumsarbeit ist ohne posthume Güsse gar nicht möglich." So denken auch die 35 in der Arbeitsgemeinschaft Bildhauermuseen und Skulpturensammlungen organisierten deutschen Institutionen.

Was bislang fehlte, war eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas. Es gab keine Spielregeln und Kriterien im Umgang mit posthumen Güssen und keine klare, allseits akzeptierte Charta. Den ersten Schritt dazu tat das Symposium in Rolandseck, bei dem Museumsleute, Forscher, Kulturjournalisten, Politiker und Kunsthändler an einem Tisch saßen.

Die Ergebnisse liegen jetzt gründlich überarbeitet und mit neuen, sehr interessanten Aufsätzen erweitert gedruckt vor. Es ist ein dickes, hochinteressantes Werk zur Skulptur herausgekommen, das sich auf dem neuesten Forschungsstand bewegt und mit einer Fülle an spannenden Details aufwartet.

"Das ist keine Entspannungslektüre vor dem Schlafengehen", sagte Gottlieb Leinz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, "das Thema wird umstritten bleiben, Geld und Besitz spielen dabei eine zu große Rolle".

Als großes Plus der Publikation werten Leinz und seine Kollegin Ursula Berger, dass dabei eine "Handreichung" herausgekommen ist, eine Definition und Abgrenzung des Themas, Spielregeln, die unter anderem durch genaue Kennzeichnung der Güsse für Transparenz sorgen.

Dass diese "Handreichung" nicht nur von vielen Museen akzeptiert wird, sondern inzwischen auch vom Kunsthandel umgesetzt wird - und sich bereits in der Preisgestaltung niederschlägt (Leinz) -, stimmt die Fachleute optimistisch.

Und was wird sich in der Rolandsecker Arp-Sammlung ändern? Kornhoff will die posthumen Güsse "natürlich behalten", jedoch genau kennzeichnen. Der Besucher solle entscheiden. Hofmann-Göttig sieht prinzipiell auch keinen Handlungsbedarf:

"Wir haben Kaufverträge mit einer unbefristeten Rückgabemöglichkeit", sagte er, "sollte sich bei den Forschungen herausstellen, dass es Fälschungen gibt, werden wir davon Gebrauch machen".

An den Forschungen ist maßgeblich Astrid von Asten beteiligt. Die Rolandsecker Arp-Expertin arbeitet an dem mit Spannung erwarteten Bestandskatalog. Wie komplex die Situation besonders bei Arp ist, kann man in ihrem brillanten Text "Zum Umgang mit dem plastischen Werk" nachlesen.

Einer von vielen weiteren exzellenten Beiträgen im Buch "Posthume Güsse", das das Thema zwar mustergültig aufbereitet, doch längst nicht entschärft. Die wundersame Werkvermehrung bleibt, selbst durch "Handreichungen" kanalisiert, ein Riesenthema. Und die Kritiker werden nicht arbeitslos.

Posthume Güsse. Bilanz und Perspektiven. Deutscher Kunstverlag, 231 S., 24,90 Euro

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