Demenz "Anderland" im Theater im Ballsaal
BONN · Marianne Rumpsmüller mag tanzen. "Hacke, Spitze - eins, zwei drei", kommandiert die bewegliche alte Dame mit den kurzen weißen Haaren munter und singt dazu alte Karnevalsschlager. Sie ist dement und wird am Freitag nicht mehr wissen, dass sie am Donnerstag wirklich auf der Bühne stand.
Seit Jahren beschäftigt sich die Regisseurin Barbara Wachendorff mit demenzkranken Menschen und deren besonderer Welt. "Ein Reise ohne Ruder ins Land der Demenz" nennt sie ihre neue Produktion "Anderland", die jetzt im Ballsaal zu sehen war.
Fünf "Experten" aus der fremden Lebenswelt agieren mit vier Profi-Schauspielern bei diesem szenischen Reigen, der alltägliche Erfahrungen mit grotesken Situationen verbindet und einen theatralen Bogen schlägt zwischen scheinbarem Normalverhalten und dem vielseitigen "Anderland", in dem die Alten zu hilflosen Kindern werden, aber mit ihren Erfahrungen und Fähigkeiten eine spielerische Präsenz behaupten, die Mut macht für die unfreiwillige Reise ohne Rückfahrschein.
Die drastischen Demütigungen, Aggressionen und Verletzungen auf beiden Seiten der Krankheit verschweigt die Inszenierung nicht, findet aber in 90 Minuten immer wieder Momente von möglicher Nähe und feinem Humor.
Jede Vorstellung ist anders angesichts der dementen Darsteller, die sich selbst spielen und gleichzeitig Bühnenfiguren sind, die vorsichtig im Spiel gehalten werden müssen oder wie Helga Born einfach glücklich sind mit ihrer eigenwilligen Theatergegenwart. Die "echten" Schauspieler lieferten das stabile Gerüst für die spielerischen Verwirrungen. Eine sehr kluge Kunst-Begegnung mit geistreicher Empathie.