"Als ich im Sterben lag": Ein Südstaaten-Begräbnis

Neue Stücke von Ballsaal und Fringe-Ensemble

Bonn. Auf der Bühnenbaustelle im Endenicher Ballsaal riecht es nach Holz. Auch der Sarg für Mutter Addie Bundren steht schon bereit, in dem sie nach viertägigem Sterben ihre abenteuerliche letzte Reise zum Begräbnis in ihrem Heimatort antreten wird, begleitet von ihrer Familie und all den alten Familiengeschichten. Frank Heuel, Leiter des Bonner Fringe-Ensembles, inszeniert die 59 Monologe von William Faulkners Roman "Als ich im Sterben lag" (1930) ohne amerikanischen Südstaaten-Naturalismus und ordnet das komplexe Geflecht der privaten Berichte mit seinen irritierenden Perspektivwechseln völlig neu.

"Als ich im Sterben lag" ist eine deutschsprachige Erstaufführung; für die akademische Recherche und wichtiges Hintergrundwissen hat das Fringe-Ensemble sich des Beistandes des Bonner Anglistikprofessors und Faulkner-Spezialisten Lothar Hönnighausen versichert. In Paris machte Jean-Louis Barrault in ganz jungen Jahren 1935 durch eine Dramatisierung des Werkes zum ersten Mal auf sich aufmerksam.

Das Fringe-Ensemble knüpft in seiner Produktion vor allem an die eigene Tradition des literarischen Theaters an. Mit höchst erfolgreichen Arbeiten wie Jerofejews "Reise nach Petuschki" und Vittorinis "Gespräch in Sizilien" hat es sich längst über die Region hinaus einen Namen gemacht. In NRW ist die Kooperation mit dem renommierten Pumpenhaus in Münster und dem neuen Dortmunder Theater im Depot vorläufig in trockenen Tüchern, mit dem Bonner Stammhaus im Ballsaal hat sich die Zusammenarbeit ohnehin stabilisiert.

Dessen Chefin Marianne Weber (zugleich Dramaturgin beim Faulkner-Projekt) kündigt für die Zukunft jeden Monat eine Premiere an; alle neuen Stücke sollen länger laufen als bisher. Im Oktober präsentiert Michaela Fünfhausen ihre tänzerische Version von Schuberts "Winterreise", im November folgt das Fringe-Ensemble mit "Modus", das die bewährte Improvisationsarbeit mit dem niederländischen Autor Andreas Vonder fortsetzt. Cerna & Vanek Dance tanzen im Dezember ihren "Desert Blues".

Für Anfang 2002 plant das Fringe-Ensemble als dritte Produktion der Saison auch noch die Dramatisierung von Joseph Roths Roman "Hotel Savoy".

Die Premiere am Mittwoch ist ausverkauft. Karten für die nächsten Aufführungen (14.-16., 20.-22. und 27.-29. September) und alle anderen Stücke gibt es unter (0228) 79 79 01. Internet: www.fringe-ensemble.de.

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