Musik ist keine Lösung Alligatoah beim Open-Air-Auftritt im Kölner Tanzbrunnen

Köln · Der Schauspielrapper Alligatoah begeistert 12.000 Fans mit seiner Show beim Open-Air-Auftritt in der Domstadt.

 Über den Wolken: Unterhaltungskünstler Alligatoah.

Über den Wolken: Unterhaltungskünstler Alligatoah.

Foto: Thomas Brill

An diesem Sonntag ist alles anders als sonst. Zumindest am Tanzbrunnen, wo Lukas Strobel vor 12.000 hingerissenen Fans ein Konzert gibt. Besser bekannt ist der 27-Jährige unter seinem Künstlernamen – „Nicht Alligator, sondern Alli-ga-toah“, und angeblich macht er Rap. Dafür hört sich das aber ungewöhnlich melodiös an.

Da, wo sonst gesampelt, gescratcht und gestreamt wird, steht eine richtige Band mit richtigen Musikern an richtigen Instrumenten. Und selbst die Bühne ist nicht da, wo sie sonst ist, hinter den weißen Schirmen rechts vom Eingang. Sondern sie steht mitten auf der Wiese, vor dem linken Flügel des Staatenhauses. Ein riesiges schwarzes Teil, das für einen fetten Sound sorgt.

Vor einer Kulisse aus zuckergussweißen Wölkchen, flauschige Engelsflügel auf den Rücken geschnallt und ihren Chef in einem Ballon hereinfahrend, schaffen die Alligatoahen in knapp zwei Stunden wahrhaft Wundersames. Beispielsweise ein Schlagzeug-Solo zu platzieren. Oder die Fanbase, die im Gros so um die Zwanzig ist, dazu zu bringen, im Chor Reinhard Meys Klassiker „Über den Wolken“ zu singen. Ein Stück, das inzwischen 43 Jahre alt ist. Alligatoah sagt von sich, er sei ein Schauspielrapper. Aber Liedermacher-Rapper träfe es besser. Mitunter erinnert das an die Fantastischen Vier. Nur die Texte sind härter.

Solche Reime wie „Ich habe deinen Schäferhund gegessen und verdaut. Ich war zu deiner kleinen Schwester netter als erlaubt“ in „Amnesie“ hätte man in Fanta-Vorzeiten vermutlich auf den Index gesetzt. Dicht gefolgt von Songs, die „F*** ihn doch“ oder „Dicks sucken“ heißen. Wobei letzterer Teil eines Medleys ist, mit dem der gebürtige Niedersachse an seine Zeit als „Crackstreet Boy“ im Trailerpark erinnert. Wortwitz ist, außer dem ungewohnt Melodiösen, ein weiteres Kennzeichen des 1Live-Gekrönten (Bester Hip-Hop-Act 2015). Den Satz „Ich wiederhole mich nur ungern“ gleich viermal zu wiederholen wie in „Hab ich recht“ – darauf muss man erst mal kommen.

Oder sich einfallen lassen, ein Stück im Duett mit dem Spiegelbild, als special guest, zu rappen („Du bist schön“). Auch vom Outfit her widerlegt Alligatoah alle gängigen Klischees. Statt Baseballcap trägt er lieber Zylinder und statt güldenem Geschmeide lieber Gitarre.

„Musik ist keine Lösung“, das Titelstück des 2015 erschienenen vierten Albums erklingt als letzte Zugabe. Wenn man sich den wilden Jubel danach anhört, möchte man durchaus Zweifel an diesem Statement anmelden. Nach diesem Konzert fühlt man sich ganz wunderbar gelöst.

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