Videonale.16 in Bonn Alles ist in Bewegung

Bonn · Das Kunstmuseum Bonn zeigt 43 spannende Beiträge im Wettbewerb der Videonale.16. Am Donnerstag wird das Festival mit dem Titel "Perform!" eröffnet.

Tasja Langenbach, die am Donnerstagabend ihre dritte Videonale im Kunstmuseum Bonn eröffnet, die Videonale.16, rechnet vor, dass man zwischen 13 und 14 Stunden braucht, um das aktuelle Wettbewerbs-Programm zu sichten. „Ein Museumstag reicht da nicht, man muss wiederkommen.“ Und man wird wiederkommen. Denn angesichts der exzellenten Ausstellungsarchitektur von Ruth M. Lorenz (maaskant Berlin), der herausragenden projektionstechnischen wie künstlerischen Qualität der 43 Beiträge sowie der spannenden Bandbreite der Themen und Ausdrucksformen dürfte es ein reines Vergnügen sein.

Die Videonale heißt noch Videonale, was seit vielen Jahren schon ein lieber Anachronismus ist. Denn mit Video habe das, was in der Ausstellung, im Festivalprogramm und auf dem Videonale-Parcours zu sehen ist, nur noch am Rande zu tun, bemerkt Kunstmuseums-Intendant Stephan Berg und spricht lieber von „zeitbasierten Kunstformen“ in „offenen Raumsystemen“.

Ob im kuscheligen Sitzsack, auf Kissen oder schrägen Hockern lässt sich in der Beletage des Museums zwischen glänzenden Vorhängen auf Flatscreens und großzügigen Projektionsflächen (sogar ein Kino wurde integriert) verfolgen, was Künstlern aktuell zum Thema „Perform!“ eingefallen ist. Zum zweiten Mal versucht das 1984 in Bonn gegründete älteste Videofestival Deutschlands die Flut der Produktionen durch die Wahl eines Themas zu kanalisieren. „Perform!“ treffe den Zeitgeist, sagt Langenbach, reflektiere ebenso eine Renaissance performativer Kunstformen wie die Lust an der Selbstinszenierung im Publikum. Deshalb werde es bei der Videonale neben den Filmen auch Live-Performances geben.

Makroaufnahmen vom Körper

Performance bedeutet nicht nur Aktion, Tanz und Inszenierung, sie geht auch einher mit einer Wiederentdeckung der Körperlichkeit. Viele der Beiträge kreisen darum. In „The Double“ von Jan Dietvorst und Roy Villevoye etwa verfolgt der Zuschauer gespannt die Entstehung einer lebensgroßen Silikonskulptur. Yao Gong zeigt poetische Makroaufnahmen vom Körper („Under Blue“), Lotte Meret Effinger liefert in „Surface Glaze“ Hochglanzbilder von Körperteilen, die von Flüssigkeiten geflutet werden. Werbeästhetik trifft hier auf den Drang, sich ihr zu entziehen und zu einem eigenen Körpergefühl zu finden.

Ein großes Thema ist die tänzerische Aktion, die etwa in Sanar Sohrabis Film „Disponsables“ und in Randa Maroufis „The Park“ zum Standbild eingefroren wird – nur die Kamera ist aktiv. Stefan Panhans lässt seine Protagonisten in „Freeroam À Rebours“ ruckartig wie Avatare agieren, Shadi Haroumi zeigt in „The Lightest of Stones“, wie eine iranische Künstlerin monoton Steine aus einer riesigen Wand bricht, während fünf Männer auf Kurdisch und Farsi das Gesehene wohlwollend kommentieren und mit einem mythischen Epos vergleichen.

Schauspielerinnen in Los Angeles

Von der Aktion zu den Akteuren: Stefan Ramírez Pérez' sensibler Porträtfilm folgt nicht mehr ganz jungen Schauspielerinnen in Los Angeles, lässt sie über Ängste und Drucksituationen sprechen, geht ganz nah ran, ohne voyeuristisch zu sein. Hinreißend auch die Performerin Liad Hussein Kantorowicz, die in Benjamin Ramírez Pérer (in Köln lebender Zwillingsbruder von Stefan) meisterhaftem Film „Embellishments“ einen atemberaubenden Bogen von John Cassavetes' Filmklassiker „Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers“ zu Beyoncés „Drunk in Love“ schlägt. Äußerst gelungen ist ebenfalls das Porträt, das der junge Kölner Filmemacher Felix Zilles-Perels von Willi Geloneck, einem würdevoll gealterten ehemaligen Tänzer und Betreiber einer Travestie-Show gedreht hat. Zwei Welten, die des Glamours und die des Alltags, begegnen einander, und Geloneck trällert dazu ein Liedchen im Falsett. Es wird offenbar wieder mehr porträtiert und mehr erzählt in der Videoszene oder – herrlich ironisch wie in Vinka Kirchenbauers aufwendiger 3D-Produktion „You are Boring“ – so getan als ob.

Aber es gibt auch fantastische Experimente. So nervt die endlos wiederholte ultrakurze Filmsequenz aus der Musikschnulze „Grease“ mit John Travolta und Olivia Newton-John in Max Graus Beitrag derart, dass man sich willig auf den viel interessanteren Subtext zum Film einlässt, der als Textband mitläuft. Eine Entdeckung unter vielen bei dieser spannenden Videonale.16.

Kunstmuseum Bonn; bis 2. April. Do-So 11-18, Mi bis 21 Uhr. Eröffnung: 16. Februar, 20 Uhr

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