Absturz in den Albtraum in Beuel

Yvonne Schwartz inszeniert das Steinewerfer-Drama "Stones" im Lampenlager

Absturz in den Albtraum in Beuel
Foto: Szokody

Bonn. Aus ihrem Spiel wird plötzlich tödlicher Ernst. Der fünfzehnjährige Diesel und der vierzehnjährige Flo sind eigentlich zwei ganz normale Jungen. Ein bisschen laut und ruppig, abenteuerlustig, begeistert von schicken Autos und auch schon mal bereit, einen Mercedes-Stern zu klauen oder ein Schloss zu knacken.

Weil's verboten ist und deshalb cool. "Stones" von den australischen Autoren Tom Lycos und Stefo Nantsou beruht auf einem authentischen Fall, der sich 1994 in Melbourne zugetragen hat. Zwei Jungen warfen Steine von einer Autobahnbrücke und töteten einen Universitätsprofessor.

Sie wurden als Mörder angeklagt und nach einem Aufsehen erregenden Prozess freigesprochen. Seit der deutschsprachigen Erstaufführung 2001 in Frankfurt gehört "Stones" zu den hierzulande meistgespielten Jugendtheaterstücken.

Seine immer noch erschreckende Aktualität beweisen etliche neuere Steinewerfer-Fälle. "Stones" lebt weniger von einer Krimi-Spannung als von dem zeitlosen Konflikt zwischen jugendlicher Erfahrungssehnsucht und deren potenziell tragischen Folgen.

Die Theaterpädagogin und Regisseurin Yvonne Schwartz setzt deshalb mit ihren beiden hervorragenden "Youngsters" (beide Darsteller sind talentierte Schüler) im Beueler Lampenlager nicht auf vordergründige Effekte.

Hinter der Frage "Wer warf den letzten Stein?" und ist damit schuldig am Tod eines Menschen steht die geradezu biblische Frage "Wer wirft den ersten Stein?" und zerstört damit das Leben des jungen Täters.

Maximilian Nake als fast erwachsener, lässiger Boss Diesel und Felix Breuer mit Rasta-Zöpfen als sein jüngerer Freund Flo, der sich erst noch beweisen muss, lümmeln sich auf ihrem Abenteuerspielplatz zwischen Altreifen und Garagentor (Bühne: Lena Thelen), knabbern Popcorn wie im Kino und wollen was erleben.

Der genormten Kinderspielplatz-Idylle sind sie längst entwachsen, sie brauchen ein größeres Ding. Ein klasse Auto zum Beispiel. Die Garagenfestung wird durch den dreckigen Kanal erobert (Flo krabbelt tapfer unter den Zuschauerrängen herum), bis die Alarmanlage schrillt.

Also nichts wie weg zur Autobahnbrücke, um mit der Flitsche und scheinbar harmlosen Steinchen Straßenkreuzer zu jagen. Ein tolles (von der Windmaschine im Hintergrund angefachtes) Gefühl, bis es wirklich kracht - der flotte Wagen ein Schrotthaufen.

Die beiden jungen Darsteller, deren lautstarke Sprache bei vollem Körpereinsatz bis dahin akustisch kaum verständlich war, spielen den langen Moment des Absturzes aus den pubertären Allmachtsfantasien in den Albtraum beklemmend genau.

Aus der Brücke wird Flos Etagen-Bettgestell, auf dem er wie ein Häufchen Elend hockt und langsam kapiert, was er angerichtet hat. Im leiseren zweiten Teil der Aufführung übernehmen die beiden Jugendlichen in schnellen Rollenwechseln (Kostüme: Melanie Kirchberg) auch die Figuren der Polizisten Rottner und Quandt.

Der verzweifelte Flo stellt sich mit Hilfe seiner Mutter der Justiz. Diesel will's nicht gewesen sein, muss seine Schuld jedoch widerwillig begreifen. Sie haben trotz aller anfänglichen spielerischen Unbekümmertheit ein Menschenleben auf dem Gewissen. Der Straftatbestand des vollendeten und mehrfachen versuchten Totschlags ist zweifellos erfüllt.

Die entscheidenden Zweifel formulieren die erwachsenen Ermittler: Was wäre, wenn deine Tochter in dem Auto umgekommen wäre? Was wäre, wenn deine Tochter den Stein geworfen hätte? Gewalt abzulehnen ist einfach. Die gelungene "Stones"-Inszenierung verweigert glücklicherweise alle simplen Botschaften. Überzeugter Premierenbeifall.

Für Zuschauer ab 12 Jahren. Die nächsten Vorstellungen: 23. und 25. April. Karten sind unter anderem in den Zweigstellen des General-Anzeigers erhältlich.

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