Ein Spiegelkabinett am Rhein Bonner Künstler stellt in Remagen aus

Bonn · Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen zeigt die Ausstellung „Das Auge ist ein seltsames Tier“ des Bonner Künstlers Werner Klotz

 Der Künstler Werner Klotz justiert seine kinetische Arbeit „Anemone“ von 1996.

Der Künstler Werner Klotz justiert seine kinetische Arbeit „Anemone“ von 1996.

Foto: Klitz

Wie man sich die Welt ins Zimmer holt? Seit dem Barock bedient man sich dazu raffinierter Spiegelsysteme. Kunstkammern und Spiegelkabinette krönten im Goldenen Zeitalter die sinnliche Aneignung der Welt. Bei dem Bonner Künstler Werner Klotz sind es zwei Reihen à fünf bewegliche Spiegel, die im Ausstellungsgeschoss des historischen Bahnhofs Rolandseck per Sensoren auf Besucher reagieren und in sanfte Rotation versetzt werden. Außerdem holen die Spiegel Impressionen vom Bahnsteig respektive Rhein in den puren, klassizistischen Innenraum.

Eine ungewohnte Erfahrung, schon allein, weil die Collage der Spiegelungen in jeder Sekunde anders aussieht und nicht wiederholbar ist. Die große weiße Moore-Skulptur vor dem Arp Museum trifft auf den vorbeirauschenden Regionalzug, die gespiegelte Rheinidylle vermischt sich mit den gespiegelten Besuchern. Eine bizarre Sinfonie der Eindrücke, ein dadaistisches Schauspiel, das dem Patron des Hauses Hans Arp gefallen hätte.

Bei dem 1956 in Bonn geborenen, in Berlin und New York lebenden Werner Klotz haben das Flüchtige und der Fluss der Impressionen Methode. Das gilt im übertragenen Sinn für seine rotierenden Spiegel, manchmal sind es auch eingedellte, hochglänzende Platten, die den Raum verzerrt und in verlaufenden Farben wiedergeben. Alles im Fluss: Das gilt auch im wortwörtlichen Sinn, wenn Klotz mitten in einem Gebirgsbach nördlich von Vancouver steht und seine Kamera auf Wasseroberfläche und Grund richtet. Vorangegangen sind intensive Beobachtungen und Studien – wie sich die Lichtbrechung im Verlauf des Tages ändert, wie die Farben wechseln, wie das Spiel der Reflexe funktioniert. „Die Stelle im Fluss habe ich zufällig entdeckt“, erzählt Klotz, „dann habe ich den Fluss studiert, ich kenne jeden Stein.“ 175 000 Fotos hat er von diesen 30 Quadratmetern gemacht, „die Wasserfläche wurde zu einer fluiden Leinwand – und ich war nur noch Auge“. Ein farbenprächtiges Schauspiel, ein Panorama bizarrer Steine und Lichterscheinungen.

Die Flut der Bilder

Woanders filmte der Bonner Künstler Gewässer und Wasserfälle ab, zerlegte die kurzen Filmsequenzen dann in ihre Einzelbilder und führte sie als Bildertableau wieder zusammen. Ein interessantes Experiment, das in der von Jutta Mattern kuratierten Schau „Das Auge ist ein seltsames Tier“ vor Augen führt, welche Informationsflut in einer wenige Sekunden langen Filmsequenz steckt – und wie selektiv wir wahrnehmen müssen, um in dieser Flut nicht unterzugehen. Der Rheinländer Klotz kann bei allem Hang zum Wahrnehmungsexperiment seine Affinität zum Wasser nicht leugnen. Beides verknüpfte er bereits 2004 in der Arbeit „Father's Window“, als er in einer Fensterlaibung des Bahnhofsfestsaals, wo heute das schmucke „Bistro Interieur No. 253“ des Museums untergebracht ist, eine Mischung aus Sehlabor und Spiegelkabinett installierte. Eine Art Fernrohr nimmt den Schiffsanleger der Fähre ins Visier. Parallel dazu liefert ein Hörrohr den Sound zum Bild. Durch ein weiteres Guckloch sieht der Betrachter kaum mehr als seinen eigenen, raffiniert gespiegelten Hinterkopf.

Schon wieder rückt das Individuum als Akteur in die Kunst des Werner Klotz. Und die äußerst zweideutige Symbolik kommt ins Spiel, gilt der Spiegel doch einerseits als Zeichen der Eitelkeit und der Wollust, steht aber andererseits für Selbsterkenntnis, Klugheit und Wahrheit. „Father's Window“, dieses verspielte Spiegelkabinett en miniature, bildet das gesamte Spektrum ab. Und lädt hinter einer Spanischen Wand aus gekräuselten Rheinwellen zum optischen Experiment ein.

Eher bukolisch geht es in einer anderen Ecke des Raumes zu , wo auf Rollen die „Reisebar des Dionysos“ steht, ein gläserner Container mit Weingläsern, handversilberten Flaschen und Cocktail-Shakern. Hier wird der Wahrnehmungstüftler zum Restaurantdekorateur.

Arp Museum Bahnhof Rolandseck; bis 5. November. Di-So 11-18 Uhr. Eröffnung: Sonntag, 11 Uhr

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