Ausstellung in Köln Explosive Bildwelten von James Rosenquist

Köln · Die spektakuläre Retrospektive des Pop-Art-Malers James Rosenquist im Kölner Museum Ludwig zeigt Riesenformate und Rauminstallationen.

 Atompilz und Trockenhaube: Rosenquist-Raum „F-111“ aus dem Museum of Modern Art. FOTO: BRILL

Atompilz und Trockenhaube: Rosenquist-Raum „F-111“ aus dem Museum of Modern Art. FOTO: BRILL

Foto: Thomas Brill

"Eintauchen ins Bild“ – selten hat ein Ausstellungstitel so perfekt gepasst wie auf die grandiose Schau von James Rosenquist im Kölner Museum Ludwig. Der Aufforderung, „eintauchen ins Bild“, sollten gerade die Kenner des Hauses folgen, die das riesige „Star Thief“ mit der monumentalen Speckscheibe die letzten Jahre nur aus der Ferne im Treppenhaus sahen. Jetzt können sie ganz nah ran und hinein ins Farb- und Malerei-Abenteuer: Im höchsten Raum des Ludwig hängt es mit den nicht minder ausladenden „The Stowaway Peers Out at the Speed of Light“ und „The Geometry of Fire“ (beide aus dem Nachlass) zur näheren Begutachtung – eine echte Entdeckung in dieser Schau, die nicht arm an spektakulären Einsichten ist.

Rosenquist, neben Andy Warhol und Roy Lichtenstein einer der Großen der Pop-Art, ist im März dieses Jahres 83-jährig gestorben. Am Konzept seiner Kölner Schau, die nun als erste posthume Retro-spektive Maßstäbe setzt, war er noch beteiligt. Er war dem Haus und dessen weltweit geschätzter Pop-Art-Sammlung verbunden, machte in dem kurzen Neujahrsgruß 1996 seiner Freude Luft, dass Köln sein „Star Thief“ angekauft hatte. Der Brief ist mit vielen anderen Trouvaillen und Dokumenten in der Schau zu sehen.

Plakatmaler hoch über dem New Yorker Times Spuare

Der erste Eindruck aber ist Überwältigung pur. Im Eingang der Schau hängt das wandfüllende, irritierende Panorama „Through the Eye of the Needle to the Anvil“ („Durch das Nadelöhr zum Amboss“), das Rosenquist 1988 seiner verstorbenen Mutter widmete, ein ungewöhnlich persönliches Bild. Der Besucher steht vor der Entscheidung: Entweder wahrt er die Distanz und behält den Überblick oder er geht ran, in den Clinch, riskiert die fast physische Konfrontation mit dem Monster, mit dieser aberwitzigen Bildcollage aus realen Gegenständen, Lichtblitzen und verschatteten Zonen. Beide Perspektiven sind spannend, die zweite aber ist der aufregendere Weg. Und es ist die Perspektive, die der junge Rosenquist hatte, der als Plakatmaler hoch über dem Times Square in New York mit der Nase vor der Leinwand seine riesigen Werbebanner schuf. Es war ein unfreiwilliges, gleichwohl hoch professionelles Eintauchen ins Bild. Hier manifestierte sich sein handwerkliches Können, sein sicherer Instinkt für Effekte und spektakuläre Motive.

Cindy Crawford und John F. Kennedy, blitzende Fords und Chevrolets empfangen den Besucher im ersten Kapitel. Und hier kommt auch die erste Überraschung: Kurator Stephan Diederich hat die Motive dieser Rosenquist-Ikonen erforscht, wurde in Magazinen fündig, deren Werbung der Maler einst einfach übernahm oder äußerst raffiniert kompilierte. Die Crawford etwa entstammt einer „Camel“-Reklame, „President Elect“ aus dem Centre Pompidou ist ein Pasticcio aus einem Wahlplakat Kennedys, der Anzeige für einen Chevrolet und der Reklame für eine Kuchen-Backmischung „Devil's Food Mix“ der Firma „Swans Down“.

Drei Räume von Leo Castelli

Das Ludwig hat spektakuläre Werke nach Köln geholt, die es mit etlichen eigenen Meisterwerken in einen Dialog bringt. Die Krönung ist sicherlich, dass es erstmals gelang, die drei Rosenquist-Räume des obersten Pop-Art-Galeristen Leo Castelli, bei dem der Sammler Peter Ludwig quasi Stammkunde war, zusammenzubringen. Es sind Räume, die an allen Wänden mit jeweils einem fortlaufenden Bild bemalt sind, das Eintauchen ist hier fast buchstäblich zu interpretieren. Die aggressiv aufgeladene, dem Kampfflugzeug F-111 gewidmete Anti-Kriegs-Rauminstallation „F-111“ von 1964-65 aus dem MoMA trifft auf den spiegelnden Farben- und Formenrausch „Horse Blinders“ (1968-69) aus dem Ludwig und – aus dem Nachlass – den ruhigeren Raum „Horizon Home Sweet Home“ (1970), in dem bisweilen Trockeneisnebel herumwabert. Drei Räume, drei Stimmungen, drei Meisterwerke.

Spektakulär ist auch das einst für das Guggenheim Bilbao geplante, dann für die Filiale in Berlin realisierte dreiteilige Ensemble „The Swimmer in the Econo-mist“, dessen Hauptbild 27 Meter misst und wie ein Film eine kurze Geschichte der Malerei erzählt. Die beginnt düster und Schwarz-Weiß und mit Zitaten aus Picassos „Guernica“ und endet in einem hyperrealistischen 3-D-Bilderstrudel.

Rosenquist habe immer mit dem Etikett des Pop-Art-Künstlers gehadert, erzählt Ludwig-Chef und Co-Kurator Yilmaz Dziewior. Seine Ausstellung zeigt nun alle Facetten: Den perfekten Pop-Artisten, der mit knalligen Bild- und Werbeeffekten und Oberflächen umgehen kann, den Künstler, der sichtlich vom abstrakten Expressionismus herkommend immer wieder malerische Freiräume sucht und findet, und den grübelnden, verklausulierten Denker, der sich mit den letzten drei Bildern der Schau in den 1970er Jahren aus einer Krise herausmalte und im ersten Werk, der Hommage an seine tote Mutter, bildmächtig und ausufernd nichts als Rätsel in den Raum stellt.

Museum Ludwig, Köln; bis 4. März 2018. Di-So 10-18 Uhr. Eröffnung: 17. November, 19 Uhr. Katalog 49,95 Euro.

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