Kommentar zum Jazzfest Bonn Mischung stimmt

Meinung | Bonn · Vor zehn Jahren hat Materna dieses Festival initiiert und mit seiner Art, dem Jazz eine Stimme zu geben und ihn auszureizen, ein immer größer werdendes Publikum geprägt.

Die Bonner und die vielen Gäste von außerhalb sind unglaublich beweglich, physisch und psychisch: Kaum ein Jazzfestkonzert ohne begeisternden Applaus im Stehen, mindestens drei Abende, in denen irgendwann der ganze Saal – sei es die Oper, sei es das Telekom Forum – tanzte und die Jazzfest-Location zum Partyclub machte.

Längst ist nicht mehr alles Jazz, was hier gespielt wird: Hier und da werden die Grenzen überschritten, zum Hip-Hop und Techno, zu Pop, Rock und Funk; auch das experimentelle Ausreizen der Möglichkeiten wurde in den vergangenen zweieinhalb Wochen zelebriert. Der Jazzpurist muss fast befürchten, dass die klassische Quartettformation im Geiste des Bebop, des Cool, Modern und Free Jazz ein Auslaufmodell beim Festival ist und die reine Lehre verwässert wird.

Andererseits zeigt die überwältigende Akzeptanz des Jazzfests Bonn, wie nachhaltig Peter Maternas Konzept der Kontrastsetzung, der Gegenüberstellung von Klassik und Avantgarde, von jung und etabliert wirkt, wie wirksam die immer wieder riskierte Grenzüberschreitung eingeschlagen hat.

Vor zehn Jahren hat Materna dieses Festival initiiert und mit seiner Art, dem Jazz eine Stimme zu geben und ihn auszureizen ein immer größer werdendes Publikum geprägt. Man vertraut Materna, und man kommt zum Festival. Man wagt das Abenteuer des Doppelkonzerts, muss neuerdings auch im ziemlich sportiven Format des Triplekonzerts blitzschnell umschalten. Manche Feinheit geht dabei verloren, mancher Nachhall wird vom nachfolgenden Ensemble überlagert. Sensible Geister reagieren irritiert.

Unterm Strich stimmt aber Maternas Mischung, bietet ein breites Spektrum, das diskutiert werden kann und wird, das zu Beifall und Widerspruch reizt. So muss das sein beim Jazz. Seit zehn Jahren kreuzt nun Maternas Jazzdampfer vor Bonn und fungiert als Flaggschiff für eine äußerst vitale Jazzszene in der Stadt, für viele hochinteressante Initiativen, für exzellente Musiker und fantasievolle Programmmacher. Und ein Publikum, das begeistert mitmacht.

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