Glosse zur Sprachverständlichkeit im Fernsehen Das große Nuscheln

Die ARD-Krimis „Tatort“ und „Polizeiruf“ stehen zu Recht im Ruf, das Publikum regelmäßig auf die Palme zu bringen: weil akustisch kaum etwas zu verstehen ist. Eine Glosse zur Einordnung.

 Schweiger als Tschiller: Geballer und Genuschel programmiert.

Schweiger als Tschiller: Geballer und Genuschel programmiert.

Foto: picture alliance / dpa

Wenn Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller den „Tatort“ betritt, sind zwei Dinge programmiert: Geballer und Genuschel. Schweiger ist nicht allein. Die ARD-Krimis „Tatort“ und „Polizeiruf“ stehen zu Recht im Ruf, das Publikum regelmäßig auf die Palme zu bringen: weil akustisch kaum etwas zu verstehen ist. Als wäre das große Nuscheln noch nicht genug, ertrinken die Dialoge häufig genug in der eingesetzten Musik, im selten produktiven Hintergrundgedudel.

Nun hat sich die Forschung des Themas Tonqualität im deutschen Fernsehen angekommen, wie der „Tagesspiegel“ berichtete. Ingo Kock, Dekan der Fakultät Ton an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg, sieht vier Gründe, warum es bei ARD und ZDF mit der Verständlichkeit hakt. Erstens: Flachbildschirme bringen es im Vergleich mit den Röhrenfernsehern der Vergangenheit nicht. Zweitens: Viele Schauspieler, die nie auf einer Bühne gestanden haben, können es einfach nicht besser. Wer eine solide Theaterausbildung absolviert hat, ist deutlich im Vorteil. Drehtage sind überdies teuer, alles muss schnell gehen – keine Zeit für eventuell notwendiges Nachsynchronisieren.

Drittens: Fast die Hälfte der Zuschauer bei den Öffentlich-Rechtlichen sind älter als 65, ihre Ohren haben ihre beste Zeit lange hinter sich. Viertens: Besonders schlimm wird es, wenn junge Tontechniker den Ton für ältere Zuschauer mischen.

Kocks einleuchtender Lösungsvorschlag: „Setzt 70-jährige Tonmeister an die Mischpulte, die mischen den Sound so, wie das Publikum hört.“

Das Problem ist bekannt. Der Verband Deutscher Tonmeister (vdt) hat im Oktober 2015 zu einem Seminar über „Sprachverständlichkeit in Film und Fernsehen“ in Hamburg beim NDR eingeladen. Fazit des Seminars laut Tonmeister-Verband: „Die dreißig Teilnehmer und fünf Referenten sind sich einig: Es besteht Handlungsbedarf in Bezug auf die Sprachverständlichkeit im Fernsehton!“

Seminarleiterin Hannah Baumgartner vom Fraunhofer- Institut für digitale Medientechnologie empfiehlt, „alles, was dämpft“, ins Fernsehzimmer zu bringen. Teppiche, Bücherwände und Vorhänge sind gut. Ein gefliester Boden geht gar nicht.

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