Anna Uddenberg Künstlerin zeigt technisierte Welt in der Bundeskunsthalle

Bonn · In der Bundeskunsthalle ist die Ausstellung „Power Play“ der schwedischen Künstlerin Anna Uddenberg zu sehen. Sie widmet sich einer technisierten Welt, in der allein der Status zählt.

 Anna Uddenberg: Während „Precarious Patricia“ auf den Glastisch klettert, sind die Hocker mit imaginären Personen besetzt.

Anna Uddenberg: Während „Precarious Patricia“ auf den Glastisch klettert, sind die Hocker mit imaginären Personen besetzt.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Ostgalerie der Bundeskunsthalle steht vor allem jungen künstlerischen Positionen offen, und gerade sind die Arbeiten der schwedischen Künstlerin Anna Uddenberg dort eingezogen. Die Ausstellung ist, um es vorweg zu sagen, unbedingt sehenswert, zumal es gut möglich ist, dass man gewisse Dinge des Alltags, etwa sein Auto, fortan mit etwas anderen Augen betrachten wird. Der Boden des Ausstellungsraumes wurde ausgelegt mit hellblauer Meterware, auf der man sich – mit schmutzigen Schuhen – vorsichtig bewegt. Zwischen den Wänden sind große Sonnensegel gespannt, unter denen so etwas wie ein technisch inspiriertes Geborgenheitsgefühl aufkommt.

Gleich zu Beginn begegnet der Besucher mehreren Figuren, die offenbar weiblich sind und nicht alltägliche Posen eingenommen haben. Auf einem Glastisch klettert eine grazile Figur, die mit High Heels, enger Kleidung, langen roten Locken und Fingernägeln der Inbegriff eines Stereotyps ist. Unklar bleibt, welche Art von Darbietung „Precarious Patricia“ liefert.

Die weißen Barhocker, die rund um den Tisch stehen, füllt der Besucher im Geiste mit den passenden Personen. Weitere Figuren mit den Bezeichnungen „Soft Skills“ und „Keep Calm“ verrenken sich in extremen Haltungen, unnatürlich eingezwängt in Tragegestell oder Rucksack, aber immer mit schützendem Helm. Hinter einer Wand mit Fenster, durch das eine bildhafte Ansicht des restlichen Raumes möglich wird, begegnet man weiteren skulpturalen Arbeiten von Anna Uddenberg.

Zwar sind dies keine weiblichen Figuren, aber die zu Beginn eingeführte übersexualisierte Atmosphäre greifen auch diese Objekte auf. Unwillkürlich versucht man, ihrer Funktionalität auf die Spur zu kommen.

Fetisch als roter Faden

Vergeblich, denn die Komposit-Objekte können nichts, außer dass sie geschickt mit klischeehaften Vorstellungen, die sich in unsere Alltagswahrnehmung tief eingegraben haben, spielen. Die Arbeiten bestehen aus Autoinnenraumteilen, Möbelstücken, Netzstoffen, Leder, Kunstpelz und Teppichboden und erzählen mit ihrer Materialität die eigentliche Geschichte. Es ist eine Geschichte, in der sich die Idee des Fetischs durchzieht wie ein roter Faden und in der man unsicher ist, ob man es hier mit einer harmlosen Kuschelecke oder einem Sexspielzeug mit Performancequalität zu tun haben könnte.

Sorgsam bezogene Rundungen, weiche pelzige Stellen, verchromtes Metall und praktische Annehmlichkeiten aus dem Auto wie eine Kopfstütze oder ein Getränkehalter locken uns mit Versprechungen in die Bequemlichkeit einer Konsumkultur, in der es so einfach ist, sich widerstandslos den gewohnten Rollenklischees und Denkmustern zu überlassen.

Anna Uddenberg, 1982 in Stockholm geboren, lebt heute in Berlin und hat, wie sie selbst sagt, ein großes Interesse an synthetischen Materialien. Mit ihnen reproduziert sie die Ästhetik von Komfort und Luxus einer technisierten Welt, in der allein der Status zählt und die zugleich überindividualisiert und unpersönlich ist.

Ihre Ausstellung hat Uddenberg „Power Play“ genannt. Im ursprünglichen Kontext des Sports bedeutet das einen anhaltenden gemeinsamen Ansturm auf das gegnerische Tor, durch den der Gegner gezwungen wird, sich auf die Verteidigung zu beschränken. Bei Anna Uddenberg wird daraus eine starke Metapher für bestehende gesellschaftliche Machtverhältnisse.

Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, bis 22. September; Di und Mi 10-21, Do-So 10-19, feiertags 10-19 Uhr; Katalog „Power Play“ kostet zwölf Euro. Führungen mit dem Intendanten der Bundeskunsthalle respektive der Kuratorin am 15. Mai, 5. Juni, 10. Juli und 4. September, jeweils 17.30 Uhr.

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