Buchtipp zu Konrad Adenauer "Kanzler aus Rhöndorf" ist eindrucksvolles Buch

Bonn · Das Begleitbuch zur Rhöndorfer Konrad-Adenauer-Ausstellung ist erschienen. Nachgezeichnet wird ein eindrucksvoller Lebensweg.

 Kanzler grüßt mit Hut: Konrad Adenauer.

Kanzler grüßt mit Hut: Konrad Adenauer.

Foto: Ara Gueler

Der Mann war schon früh auf Zack: Als Erster Beigeordneter der Stadt Köln war Konrad Adenauer für das Finanzressort verantwortlich; als dann im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, übertrug ihm der Oberbürgermeister auch noch das schwierige Amt der Lebensmittelversorgung der Stadt, in Kriegszeiten ein Schlüsselressort. Und Adenauer erfüllte diese Aufgabe mit Bravour, entwickelte mit zwei Bäckern das „Kölner Brot“ aus Mais, Gersten- und Reismehl, außerdem eine Sojawurst. Wie beides geschmeckt hat, ist nicht überliefert, aber für beide Lebensmittel erhielt Adenauer kaiserliche Patente. Für das „Rheinische Schrotbrot“ gab es auch ein ungarisches und niederländisches Patent, für die Wurst ein gleichartiges Dokument vom englischen König.

Der Erfinder Adenauer geriet dennoch unter Beschuss der Bevölkerung, je länger sich der Krieg hinzog und die Nahrungsersatzstoffe immer mehr wurden. „Graupenauer“ wurde er genannt.

Brot und Patenturkunde finden sich in der neuen Dauerausstellung der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf als stumme Zeugen der frühen Jahre des späteren ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik. Greifbar werden hier das große Potenzial, die geistige Beweglichkeit und der Pragmatismus des aufstrebenden Politikers. Die hervorragende Ausstellung „Konrad Adenauer 1876-1967. Rheinländer, Deutscher, Europäer“ steckt voller ähnlicher Details wie Brot und Patentschrift, die abseits der politischen Meilensteine und zentralen Dokumente auch viel über den Menschen Adenauer aussagen.

Eine deutsche Biografie

Nachgezeichnet wird ein eindrucksvoller Lebensweg, eine deutsche Biografie, die voller Umbrüche und geschichtlicher Dramatik – auch Gefahren – steckte: Eine Kindheit und Jugend im Kaiserreich, der politische Aufstieg zum Oberbürgermeister von Köln in der Weimarer Republik, die Verfolgung durch die Nazis, der Mann an der Spitze des Parlamentarischen Rats, 1949 bis 1963 dann die Kanzlerschaft in der neu gegründeten Bundesrepublik, schließlich die letzten Lebensjahre des „politisch rastlosen, aber doch zunehmend machtlosen Altkanzlers“, wie es im Katalog so schön heißt.

Die Ausstellung spart nicht mit emotionalen Momenten: Unter die Haut geht etwa das Kapitel über die lebensgefährliche Zeit der Verfolgung unter den Nationalsozialisten. Und auch der Schlussakkord, in dem es über die Trauer und Feierlichkeiten nach Adenauers Tod geht, beeindruckt.

Was in der Ausstellung auf 300 Quadratmetern als großartiges, sehr eindrücklich inszeniertes Panorama daherkommt, lässt sich nun auch nachlesen. Jürgen Peter Schmied, der die Ausstellung kuratiert hat, hat gemeinsam mit Corinna Franz das mit fast 200 Seiten recht umfangreiche und höchst informative Begleitbuch zur Ausstellung verfasst. Ein Werk, das mit einem lockeren Layout und vielen Bildern immer den Bezug zur Ausstellung sucht und sämtliche Kapitel der Schau dokumentiert, das aber auch in interessanten Texten zur Vertiefung beiträgt. Entstanden ist ein Buch, das Adenauers Biografie in die soziale und politische Entwicklung Deutschlands fast eines ganzen Jahrhunderts einbettet. Ein exemplarischer Lebenslauf, der die Geschichte spiegelt und gleichzeitig Adenauer als Individuum präsentiert. Immer wieder blitzt in diesem Ausstellungsparcours, aber auch im Buch, das Private durch – Adenauer erscheint als nahbare Figur der Geschichte – mit allerlei wunderlichen Seiten.

Exkurs über das Wohnhaus des „Alten“

Schmied belässt es aber nicht bei der Dokumentation der Dauerausstellung in der Stiftung. Er bietet dem Leser auch einen schönen Exkurs über das Wohnhaus des „Alten“ und dessen geliebten Garten. Beides Orte, die auch besucht werden können. „Das größte 'Exponat' erwartet die Besucherinnen und Besucher am Ende des Ausstellungsparcours“, heißt es im Einleitungstext, „von hier aus beginnt die Führung durch den Garten, den steilen Hang aufwärts zum Wohnhaus, das als dreidimensionales Geschichtserlebnis den Museumsrundgang vervollständigt“. Die Texte im Katalog wiederum runden das Adenauer-Bild wunderbar ab. Und sie vertiefen den Blick auf den privaten Adenauer, den gläubigen Familienmenschen, den Bocciaspieler, Gartenfan, Krimleser und Kunstfreund. Nette Anekdoten findet man hier.

Es gibt durchaus auch kritische Worte über den „Alten“ in Ausstellung und Buch. Insbesondere über seine problematische Personalpolitik – die belasteten NS-Funktionären in der jungen Bundesrepublik wieder Macht gab – und die zögerliche Aufarbeitung der NS-Zeit. Was umso mehr verwundert, da Adenauer selbst den Ungeist und die Willkür der Nazis zu spüren bekommen hatte.

Der Verfall des Kanzlers

Wie in einem klassischen Königsdrama zeigt auch die Schau den Verfall des Kanzlers, der zunehmend unter die Räder der Geschichte geriet. Die Zeit war nicht aufzuhalten, sehr zum Groll des greisen Rhöndorfers. 1951 hatte er in seiner Weihnachtsansprache vor dem „Treibsand des modernen Lebens, seiner Hast und Hetze, seiner Äußerlichkeit und Genusssucht, seinem entsetzlichen Betrieb“ gewarnt. Adenauers Liebäugeln mit dem Präsidentenamt, seine scharfen Angriffe gegen den charismatischen Willy Brandt, seinen Herausforderer und den Regierenden Bürgermeister West-Berlins, kosteten Sympathiepunkte.

Mit 85 Jahren muss Adenauer eine Koalition mit der FDP eingehen und einen baldigen Rückzug versprechen. Der politische Herbst ist eingeläutet. Die Unionsfraktion nominiert 1963 den Rivalen Ludwig Erhard zum Nachfolger. Der Bundeskanzler verlässt sein Amt „in Verbitterung und voll Sorge um sein politisches Erbe“, schreibt Schmied. Eine großteils unbegründete Sorge, wie im Buch nachzulesen ist.

Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Bad Honnef-Rhöndorf. Ausstellung: Di-So 10 bis 16.30 Uhr. Führungen durch Wohnhaus und Garten für Einzelbesucher von 10 bis 16 Uhr zu jeder vollen Stunde. Begleitbuch: „Der Kanzler aus Rhöndorf“, erschienen bei WBG Theiss, 192 S., 19,90 Euro an der Museumskasse

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