Neu im Kino Jay Roachs „Bombshell“ beleuchtet Fall von sexueller Belästigung

Passend zum Auftakt des Prozesses gegen Harvey Weinstein: Jay Roachs „Bombshell“ beleuchtet einen Fall von sexueller Belästigung in der Medien-Branche.

 Charlize Theron (l-r) als Megyn Kelly, Nicole Kidman als Gretchen Carlson und Margot Robbie als  Kayla Pospisil in einer Szene des Films  "Bombshell.

Charlize Theron (l-r) als Megyn Kelly, Nicole Kidman als Gretchen Carlson und Margot Robbie als Kayla Pospisil in einer Szene des Films "Bombshell.

Foto: dpa/Hilary Bronwyn Gayle

Pünktlich zum Prozessbeginn gegen Harvey Weinstein beleuchtet nun Jay Roachs „Bombshell“ einen Fall von wiederholter sexueller Belästigung in der Medien-Branche, der bereits 2016 Schlagzeilen machte. Damals wurde der Mitbegründer und langjährige CEO des rechtskonservativen Nachrichtensenders „Fox News“ Roger Ailes von der ehemaligen Moderatorin Gretchen Carlson wegen sexueller Belästigung angeklagt. 23 Mitarbeiterinnen erhoben daraufhin ähnliche Anschuldigungen gegen den Chef des Senders, der jahrzehntelang die eigene Machtposition gegenüber den weiblichen Angestellten für seine sexuellen Übergriffe ausgenutzt habe.

Auf Druck des Konzernchefs Rupert Murdoch musste Ailes noch im selben Jahr den Hut nehmen – und bekam eine Abfindung von 40 Millionen Dollar. „Bombshell“ ist der erste Hollywood-Film, der sich explizit dem Thema sexuelle Belästigung widmet, seit angesichts des Weinstein-Skandals in der Filmindustrie und weit darüber hinaus die Me-Too-Bewegung in Gang gesetzt wurde. Die Stärke des Films ist, dass er Ailes nicht als monströsen Einzeltäter aufbaut, sondern ein sehr differenziertes Bild der sexistischen Machtstrukturen im Sender aufzeigt, in denen das übergriffige Verhalten von männlichen Vorgesetzten über Jahrzehnte hinweg zur betrieblichen Normalität gehörte. Hierfür stellen Roach und sein Drehbuchautor Charles Randolph („The Big Short“) drei verschiedene Mitarbeiterinnen des Senders ins Zentrum der Erzählung.

Sexistische Sprüche der Kollegen

Die ehemalige Miss America und Stanford-Absoloventin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) arbeitet schon seit elf Jahren bei „Fox News“ als Moderatorin und ist die sexistischen Sprüche ihrer Kollegen vor und hinter der Kamera leid. „Niemand will eine Frau mittleren Alters sehen, die sich durch ihre Menopause schwitzt“, wütet Ailes (John Lithgow), als sie am internationalen Mädchentag ihre Show demonstrativ ohne Make Up absolviert. Als ihr Vertrag nicht verlängert wird, entschließt sie sich, Ailes zu verklagen. Minutiös hat sie in den langen Dienstjahren über die Beleidigungen, Demütigungen und sexuellen Übergriffe des Vorgesetzten Buch geführt und hofft nun, dass auch andere betroffene Kolleginnen sich aus der Deckung wagen.

Dazu könnte die Star-Moderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) gehören – eine umstrittene, aber couragierte Journalistin, die gerade den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bezüglich seiner frauenfeindlichen Äußerungen öffentlich zur Rede gestellt hat. Kelly weiß, was alle wissen: Die meisten Moderatorinnen bei Fox News haben die sexuellen Belästigungen ihres Chefs der Karriere wegen über sich ergehen lassen. Bei ihr hat er es schließlich auch versucht.

Großes Medienecho

„Das ist ein visuelles Medium“ sagt der 76-jährige Chef zu der jungen, aufstrebenden Produktionsassistentin Kayla (Margot Robbie). Fox News ist bekannt dafür, dass die Moderatorinnen kurze Röcke tragen, die Tische aus Glas sind und die Kamera gern aus der Untersicht filmt. Sie soll aufstehen, sich drehen und das ohnehin knappe Kleid noch ein wenig höher ziehen. Und das ist erst der Anfang der Demütigungen, denen die Bewerberin ausgesetzt ist. Carlsons Anklage gegen den allmächtigen TV-Boss schlägt in den Medien große Wellen, führt jedoch unter den Mitarbeiterinnen des Senders zunächst zu keinerlei Solidarisierungen. Im Gegenteil: T-Shirts werden gedruckt, mit denen die Frauen sich auf die Treue zum „Team Roger“ einschwören.

Erst als Kelly ihre Loyalität aufkündigt und die eigenen Erfahrungen öffentlich macht, beginnt die Mauer des Schweigens zu bröckeln. Anhand des konservativen TV-Senders zeigt „Bombshell“, wie stark der strukturelle Sexismus in der Medienbranche verankert ist.

Mit großer Genauigkeit lässt sich der Film auf die Komplexität der Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse ein, in denen moralische Entscheidungen mit bitteren Konsequenzen bezahlt werden. Daraus strickt Roach ein kompaktes, äußerst spannendes Polit-Drama, das von der intensiven Präsenz seiner drei Hauptdarstellerinnen genauso lebt wie von dem dynamischen Drehbuch, in dem der reale Fall in die Fiktion verdichtet und gleichzeitig der Blick auf die gesamtgesellschaftliche Situation ausweitet wird. Rex, Kinopolis, Stern

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort