Gespräch mit dem Cellisten Jan Vogler vor seinem Kölner Konzert Ein Musikstück von drei Komponisten

Köln · Am Donnerstag stellt der Cellist mit dem WDR Sinfonieorchester ein spannendes globales Experiment vor. Es dirigiert Cristian Macelaru.

 Engagiert: Jan Vogler (links) und Dirigent Cristian Macelaru.

Engagiert: Jan Vogler (links) und Dirigent Cristian Macelaru.

Foto: Oliver Killig

Aufgewachsen ist der Cellist Jan Vogler im Osten Berlins, als die Stadt noch durch Mauer und Todesstreifen getrennt war. Von dieser bedrückenden Enge verrät das Leben, wie er es heute führt, nichts mehr. Der 55-Jährige lebt auf zwei Kontinenten, pendelt regelmäßig zwischen New York und Dresden, seine Frau, die Geigerin Mira Wang, ist Chinesin, die beiden Töchter, sagte er „wachsen total kosmopolitisch auf“. Auch in der Kunst mag der Musiker es grenzenlos. Dieser Lebensentwurf findet in dem Konzert für Violoncello und Orchester, das Vogler am Donnerstag zusammen mit dem WDR Sinfonieorchester unter Leitung von Cristian Macelaru in der Kölner Philharmonie aufführen wird, eine hübsche Entsprechung. Denn das Ungewöhnliche an diesem Werk ist, dass es von drei Komponisten geschrieben wurde, die drei verschiedene Kontinente repräsentieren: Der 38-jährige Amerikaner Nico Muhly schrieb den ersten Satz, der 52-jährige Deutsche Sven Helbig den zweiten und der 66 Jahre alte, seit vielen Jahren in den USA lebende Chinese Zhou Long das Finale. Musik für eine globalisierte Welt.

Die Idee dazu hatte Vogler selbst. „Ich habe mich immer gefragt, worin das Geheimnis des Zusammenlebens verschiedener Kulturen liegt. Ich denke, es gibt da nur einen wesentlichen Punkt: Man kann seine eigene Kultur und auch Religion lieben, tief in ihr  verwurzelt sein und kann trotzdem offen und tolerant gegenüber anderen sein. Wir müssen lernen, dass verschiedene Kulturen koexistieren können.“ In diesem Werk tun sie es.

Uraufführung war in Dresden

Uraufgeführt wurde das Werk in derselben Besetzung im Mai vergangenen Jahres bei den Dresdner Musikfestspielen, deren Intendant Vogler seit 2009 ist. Die Stücke seien völlig unabhängig voneinander entstanden, erzählt er. Absprachen habe es zwischen den drei Komponisten nicht gegeben. „Aber als sie sich im vergangenen Jahr bei den Proben zur Uraufführung, die hier in Köln stattfanden, getroffen haben, hatten sie sich eine Menge zu erzählen.“ Beim Dresdner Publikum stieß das interkulturelle Experiment auf Gegenliebe, wie die „Leipziger Volkszeitung“ zu vermelden wusste: „Jan Vogler stürzt sich auch in dieses Abenteuer mit vollem Risiko und höchster Konzentration und wird wie Komponisten und Orchester mit sattem Applaus belohnt.“ Die Besucher des Festivals sind es freilich gewohnt, nicht in starren Grenzen zu denken. Vogler kennt die Stadt, seit er mit 20 Jahren von der Staatskapelle zum „Ersten Konzertmeister Violoncello“ bestellt worden war, sehr gut. „Ich habe den Kontakt zu dieser Stadt nie verloren“, sagt er. Die Liebe ist auch mit dem Erstarken der rechten Szene nicht erloschen. Vogler pflegt das andere Dresden, das weltoffene, neugierige, das es eben auch gibt. Klare politische Statements abzugeben, sieht er nicht als seine Aufgabe. „In der Kultur ist der Holzhammer nicht das richtige Werkzeug“, findet Vogler. „Aber wenn ich in Dresden eine globalisierte Musik präsentiere, kommt das Publikum gerne mit“, weiß er. „Natürlich freuen sie sich, wenn die Wiener Philharmoniker kommen oder das Amsterdamer Concertgebouworkest oder die New Yorker Philharmoniker, die in diesem Jahr das Eröffnungskonzert spielen. Aber dann sind sie auch sehr gespannt auf Jazz, auf Weltmusik oder sogar Rock und Pop.“ Und dann erzählt er, wie er im vergangenen Jahr mit dem großen Gitarristen Eric Clapton auf der Bühne stand und sie zusammen Blues spielten. „Das war seine Bedingung für das Konzert.“

Dresdner Session mit Eric Clapton

Und für Vogler eine großartige Erfahrung. In diesem Jahr feiern natürlich auch die Musikfestspiele in Dresden Beethovens 250. Geburtstag. Aber auch wenn bei der Gelegenheit sämtliche Streichquartette und viele weitere Werke des Bonner Meisters aufgeführt werden, bleibt noch genügend Raum für anderes wie zum Beispiel ein Konzert mit Sting. In Dresden geht Voglers Konzept auf. 2019 besuchten  58 000 Menschen die Festspiele. Ein Rekordergebnis für das Festival.

 Donnerstag, 23. Januar, 20 Uhr, Philharmonie Köln: Programm: Nico Muhly / Sven Helbig / Zhou Long: Konzert für Violoncello und Orchester in drei Sätzen; Vortrag von Thea Dorn: „Musik: Weltkultur oder die deutscheste aller Künste?“; Richard Wagner: sinfonische Musik aus „Der Ring des Nibelungen“. Jan Vogler (Violoncello), WDR Sinfonieorchester, Cristian Macelaru (Dirigent), Uwe Schulz (Moderation). Karten bei Bonnticket.

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