Inklusiver Ansatz Interaktives Modell der Bundeskunsthalle regt Neugier an

Bonn · Ein Beitrag zur Inklusion: Das neue interaktive Modell der Bonner Bundeskunsthalle lädt zur Erkundung ein. Es wurde von Design-Studierenden der TU Berlin entwickelt

An dem bunten Architekturmodell im Foyer der Bundeskunsthalle ist eigentlich immer etwas los, auch wenn die, die es neugierig inspizieren und bespielen, in der Regel wahrscheinlich nicht wissen, worum es hier geht. Man kann es anfassen, darf es Teil für Teil zerlegen und es fantasievoll erkunden. „Wo ist was?“ steht an dem Tisch, auf dem sich das Architekturmodell der Bundeskunsthalle ausbreitet. Man kann insgesamt 21 einzelne Bauteile abnehmen, erkennt darunter farbig gefasste Details: das Forum mit dem ansteigenden Publikumsraum, die Ausstellungshallen, das Restaurant, WCs. Einiges ist auch fest installiert: die Ländersäulen vor dem Bau etwa, die gewundene Rutsche von Carsten Höller, die markanten Kegel auf dem Dach.

„Das ist ein Modell für alle, nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigung“, sagt Brigit Tellmann, die in der Bundeskunsthalle für Kunstvermittlung, Bildung und den Bereich Inklusion zuständig ist. „Der Titel 'Wo ist was?' ist weder pädagogisch gedacht, noch kommt er aus der Inklusionsecke“, bekräftigt Tellmann. „Es soll Spaß machen.“

Dreidimensionales Puzzle

Das tut es in der Tat. Sobald klar ist, dass man hier Hand anlegen darf, wird experimentiert. Das dreidimensionale Puzzle, soll als Leitsystem fungieren, erklären, was wo ist, ein Gefühl für diesen komplexen Bau von Gustav Peichl, seine Funktionen und seine Geschichte schaffen. Kleine Symbole, die auch ertastet werden können, verweisen auf einzelne bunte Tafeln, die aus dem Tisch gezogen werden können und Zusatzinformationen bieten: In Schriftform, als Tastobjekt, in Blindenschrift.

Weitere Informationen liefert eine von Linon Medien erarbeitete App mit dem schönen Namen „Sophia“, die vor Ort aufs Smartphone heruntergeladen werden kann. Ab Februar soll sie einsatzbereit sein. Die aktuelle Version erzählt in neun Kapiteln Wissenswertes über Räume, Treppen, den Dachgarten und die Geschichte des Hauses. In Zukunft soll es auf der App auch Statements von Mitarbeitern geben.

Erarbeitet wurde das Modell am Lehrstuhl Architektur, Fach Modell und Design, der Technischen Universität Berlin. 50 Studierende waren am Bundeskunsthallenmodell beteiligt. Sie wurden gründlich in Bonn gebrieft, erarbeiteten 15 Modelle. Sechs davon schafften es in die engere Wahl. Das schließlich für das Foyer der Bundeskunsthalle realisierte Werk sei eine Kombination aus den beiden Finalisten, erklärt Tellmann. Sogar ein Bonner sei am realisierten Modell beteiligt, sagt sie: Konstantin Trautmann.

Pionier für Inklusion in den Museen

Tellmann gehört seit mehr als 20 Jahren zum Team der Bundeskunsthalle und zu den Pionieren für Inklusion in Museen. Im Dezember 2017 endete das Förderprojekt „Pilot Inklusion“, mit dem die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, drei Jahre lang in etlichen Institutionen die Entwicklung von „Modulen und Prozessen für Inklusion in Museen“, wie es im Untertitel heißt, finanziert hat. Die Bundeskunsthalle war dabei als Initiatorin des „Pilot Inklusion“ federführend, beteiligt waren unter anderem die Klassik Stiftung Weimar und das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Über allem stand das alte Motto der Aktion Mensch: „Kunst kennt keine Behinderung.“

In der Bundeskunsthalle wurden zum Beispiel Tastobjekte für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt, mit denen man Bilder der Schau „Japans Liebe zum Impressionismus“ buchstäblich begreifen konnte. In der Ausstellung über die Choreografin Pina Bausch gab es Workshops für Schüler und Geflüchtete. Auch die Schau „Wetterbericht“ wurde durch „Pilot Inklusion“ bereichert und multisensorisch erweitert.

Die Bundeskunsthalle konnte dabei auf einschlägige Erfahrungen aufbauen: Seit 2012 gibt es dort im Bereich Kunstvermittlung/Bildung den Schwerpunkt Inklusion, für den die Kunsthistorikerin und Museumspädagogin Tellmann verantwortlich ist (sie leitete auch „Pilot Inklusion“). Die Bundeskunsthalle gab sich damals ein Leitbild: „Durch die kulturelle Vielfalt unseres Hauses stützen wir das Recht eines jeden Menschen auf Teilhabe an Kultur und Bildung, ungeachtet kognitiver Beeinträchtigungen sowie sozialer und körperlicher Barrieren. Damit fördern wir entsprechend unserem politischen Auftrag die soziale Handlungskompetenz für die Bewältigung neuer gesellschaftlicher Herausforderungen.“

Kirchner für Hörgeschädigte

Ein flüchtiger Blick in den Veranstaltungskalender der Bundeskunsthalle verrät bereits, was darunter zu verstehen ist: Eine Führung zu Ernst Ludwig Kirchner für Hörgeschädigte und ihre hörenden Familien und Freunde gibt es etwa am 12. und 26. Januar, „Tandem-Führungen in Klarer Sprache“ am 6. und 18. Januar, eine öffentliche Führung für Hörgeschädigte und Gehörlose in Deutscher Gebärdensprache (Kirchner) am 19. Januar, das Format „Trash_Up – Do It Yourselfie“ zur Ausstellung „Malerfürsten“ (Ausstellungsrundgang mit anschließenden praktischen Übungen) am 26. Januar richtet sich an alle, „Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete. Für Menschen mit Beeinträchtigung bieten wir Assistenz an“.

Am neuen Architekturmodell kann sich jeder spielerisch über Angebote orientieren.

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