Sängerin Anne Haigis im GA-Interview Immer auf Tour

BONN · Die Sängerin Anne Haigis zieht seit 30 Jahren mit ihrer unverwechselbaren Rockstimme durch die Lande. Ihren Wohnsitz hat die gebürtige Schwäbin in Bonn. Am 10. Februar gibt sie ein Konzert im Bonner Musikclub Harmonie.

 Anne Haigis: „Tina Turner hat kein einziges Lied komponiert, trotzdem sind es ihre Songs, die sie singt; und meine Lieder sind Lieder, die für mich geschrieben wurden“

Anne Haigis: „Tina Turner hat kein einziges Lied komponiert, trotzdem sind es ihre Songs, die sie singt; und meine Lieder sind Lieder, die für mich geschrieben wurden“

Foto: Hans-Peter Wild (c)

Die hübsche Wohnung liegt parterre, das hat auch mit dem zweiten Haustier zu tun, der Golden-Retriever-Dame Elsa. In den Regalen stehen jede Menge CDs – auch einige Exemplare der 18 eigenen Alben, die Haigis von 1981 bis 2015 eingespielt hat. Sie war einst im Jazz zu Hause, wechselte dann zu Blues und Rock. Sie sang deutsch und englisch, hat mit US-Musikern gearbeitet und ist in zahlreichen TV-Shows aufgetreten. Mit Anne Haigis sprach Heinz Dietl.

GA: Was verschlägt eine schwäbische Sängerin nach Bonn?

Haigis: Ich war ab 1984 bei der Kölner Plattenfirma EMI unter Vertrag. Die erste Zeit verbrachte ich in Hotels, dann nahm ich mir eine Wohnung mitten in Köln – und genoss das Nachtleben bis zum Abwinken. Meinen Freundeskreis hatte ich hauptsächlich in Bonn. 2004 starb mein Hund, und so dachte ich, es sei Zeit für einen Umzug – nach Bonn in die Schumannstraße.

GA: Wie gefiel Ihnen das Leben in der Südstadt?

Haigis: Sehr gut. Auch die Wohnung war toll, wie ein kleines Schlösschen. Aber ich hatte einen neuen Hund, das Problem waren die vielen Treppen. Und wenn ich nachts von meinen Konzerten kam, musste ich oft in der zweiten Reihe parken, um alles auszuladen. Jetzt in Beuel ist die Situation ideal.

GA: Sie befinden sich momentan erneut auf Tournee. Wo kommen Sie gerade her, und wo geht es hin?

Anne Haigis: Ich war in Rostock und Schwerin, jetzt geht es nach Wendelstein bei Nürnberg. Dann Berlin und Werder bei Potsdam.

GA: Sie nehmen auch gern die Provinz mit, oder?

Haigis: Auf dem Land gibt es super schöne Bühnen. Etwa die Music Hall in Worpswede. Toller Laden, jeder will dort spielen. Oder der Live-Club Ursprung in Rostock – wunderschön.

GA: Sie wollten schon früh Musikerin werden, die Eltern waren dagegen. Was war das Problem?

Haigis: Ich habe Flöte gespielt, wollte aber Klavier lernen, doch wir hatten kein Geld und keinen Platz, hieß es. Man hat mich nicht ernst genommen.

GA: Sind Sie deshalb mit 16 Jahren mehrmals ausgebüxt?

Haigis: Ja, erst mal nach Stuttgart. Ich wollte Sängerin werden. Auf einer Party habe ich Blues gesungen. Ein paar anwesende Musiker haben mich darin bestärkt, Sängerin zu werden. Und so nahm das seinen Lauf.

GA: Was war die nächste Station?

Haigis: Ich spielte Anfang der Siebziger regelmäßig in amerikanischen Clubs. US-Charts. „Kung Fu Fighting“, „Killing Me Softly“. Eine harte Zeit. Danach sang ich in der Gruppe Re. Eine andere Richtung. Latin und Rock Jazz.

GA: Und so kamen Sie zum Jazz?

Haigis: Ja. Ich wurde von dem Jazzpianisten Wolfgang Dauner entdeckt, er hat meine ersten beiden Platten produziert. Eine Ehre für mich, die Alben liefen sehr gut, ich war mit dem United Rock & Jazz Ensemble auf Tournee. Die Jungs vom Duo Kolbe/Illenberger haben ein paar Songs für mich geschrieben. Ich war mit Dauner liiert, die gesamte Musikszene ist bei uns ein- und ausgegangen.

GA: Dann haben Sie erneut die Richtung gewechselt, sangen Pop und Rock. Wie kam das?

Haigis: Diether Dehm, der Inhaber des Labels Musikant, vermittelte mich an die Plattenfirma EMI – und meine Verkaufszahlen wurden noch besser. Hinzu kamen Auftritte im Fernsehen.

GA: Zum Beispiel bei „Wetten, dass..?“ mit Thomas Gottschalk.

Haigis: Ich war nie in „Wetten, dass ..?“, das wurde mal in die Welt gesetzt und geistert seitdem durch die Netze. Ich war in Thomas Gottschalks Sendung „Na Sowas“, in den Shows von Rudi Carrell. Und Hans-Joachim Kulenkampff lud mich 1985 zu „Einer wird gewinnen“ ein.

GA: Wie lief der Auftritt in Kulis Kultsendung EWG?

Haigis: Schrecklich. Meine Plattenfirma hatte mir ein Kostüm anfertigen lassen – mit schweineteuren Silbereinsätzen. Ich sah aus wie meine eigene Oma. Immerhin habe ich in der Sendung den kürzlich verstorbenen Schauspieler Klaus Wildbolz kennen gelernt. Er hat mir vom „Traumschiff“, wo er mitwirkte, regelmäßig Briefe geschrieben.

GA: Wie kam es zur Verbindung mit Melissa Etheridge?

Haigis: Nach vier deutschsprachigen Alben wollte ich mal wieder etwas Englisches machen. Die Plattendfirma war dagegen. Ich rief Peter Maffay an, er vermittelt mich an die Ariola. Mit dem Plattenboss Thomas Stein, auch Schwabe, habe ich einen Abend lang schwäbische Witze ausgetauscht, dann hatte ich meinen Vertrag. Als Partner für die neue Platte wünschte ich mir die Produzenten und Musiker von Melissa Etheridge – und fuhr in die USA. Acht Songs habe ich in Los Angeles aufgenommen, fünf in Nashville.

GA: Wie kamen Sie an zwei Songs von Etheridge?

Haigis: Sie hat mir „Dancing In The Fire“ und „Out Of My Mind“, die sie selbst nicht eingesungen hat, zur Verfügung gestellt. Mit dem fertigen Album „Cry Wolf“ bin ich zwei Monate durch Europa getourt im Vorprogramm von Curtis Stigers.

GA: Eigene Lieder oder Fremdkompositionen – was macht für Sie den Unterschied aus?

Haigis: Tina Turner hat kein einziges Lied komponiert, trotzdem sind es ihre Songs, die sie singt. Meine Lieder sind Lieder, die für mich geschrieben wurden. „Kind der Sterne“ hat Wolf Maahn für mich komponiert, „Freundin“ kam von Edo Zanki.

GA: Wie abhängig sind Künstler heutzutage von Plattenlabels?

Haigis: Ich arbeite heute mit einer kleinen Kölner Plattenfirma, kümmere mich um viele Dinge aber selber. Die meisten Platten verkaufe ich bei meinen Konzerten. Das ist auch der Grund, warum so unendliche viele Bands permanent auf Tour sind. Wo sonst soll man heutzutage seine CDs verkaufen?! Das Business wird immer schwieriger.

GA: Wer kommt zu den Shows?

Haigis: Publikum von 40 bis Asbach. Interessierte Leute, viele Akademiker.

GA: Welche Songs spielen Sie?

Haigis: Ich bin erneut mit Ina Boo unterwegs, sie spielt Gitarre, Piano und Stomp Box. Im Programm haben wir Stücke vom aktuellen Album „15 Companions“. Dann ein paar Hits wie „Kind der Sterne“, die muss man spielen. Vor allem das Publikum im Osten wünscht sich meine deutschen Lieder aus den Achtzigern.

GA: Woher kommt das?

Haigis: Ich habe zu DDR-Zeiten dort gespielt, als einer der wenigen Künstler aus dem Westen. Und oft versagte mir die Stimme.

GA: Warum das?

Haigis: Jedes Mal, wenn ich die Grenze passierte, zog sich bei mir alles zusammen, ich spürte die Enge. In Ost-Berlin spielte ich auf Einladung der FDJ vor 4000 Leuten. Nach zwei Nummern war die Stimme weg. Tamara Danz, die Sängerin von Silly, hat sich um mich gekümmert. Danach hatte ich Vorstellungen in Leipzig und Dresden. Viele meiner Konzertbesucher bedanken sich heute noch für die damaligen Auftritte.

GA: Und wie kommt man als Schwäbin im Rheinland klar?

Haigis: Bestens. Ich kann sogar ein bisschen Bönnsch. Mein Lieblingsspruch: „Et letzte Hemd hät keen Täsch.“

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