Gespräch vor der Premiere Guy Montavons Rückkehr nach Bonn

Bonn · Erfurts Generalintendant gibt mit seiner Inszenierung von "Cavalleria rusticana/Bajazzo" ein Gastspiel an seiner früheren Wirkungsstätte

 Szene aus Guy Montavons Bonner Inszenierung von  Ruggero Leoncavallos Oper „Der Bajazzo“.

Szene aus Guy Montavons Bonner Inszenierung von  Ruggero Leoncavallos Oper „Der Bajazzo“.

Foto: Thilo Beu/THILO BEU

Die Stadt Erfurt und der Schweizer Theatermann Guy Montavon führen offenbar eine harmonische Beziehung. Seit 2002 ist er Generalintendant und somit der erste und bislang einzige Chef des 2003 im Stadtteil Brühl eröffneten Theaterneubaus. Kein Wunder: Montavon hat das Haus längst zu einer echten Kulturmarke mit überregionaler Aus­strahlung geformt, mit einem klugen Spielplan, der ankommt. Jedes Jahr bringt er eine Uraufführung auf die Bühne, gerne auch eine Neuentdeckung, ein Angebot, das er klug mit dem gängigen Repertoire mischt. Hinzu kommt eine sichere Hand für erstklassige Sänger. Und mit der Leitung der populären „DomStufen-Festspiele“, die jährlich von mehreren Zehntausend Menschen besucht werden, hat er einen direkten Draht auch zu einem Publikum, das nicht unbedingt identisch mit den Opernbesuchern ist.

Der in Genf geborene Montavon hat aber auch eine Bonner Vergangenheit. Damals in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Bonner Oper unter der Intendanz des Italieners Giancarlo del Monaco noch unter Hauptstadtbedingungen Musiktheater machte, war er Oberspielleiter am Haus. Eine der legendären Inszenierungen, die damals entstanden, war die Doppelproduktion von Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Ruggero Leoncavalllos „Pagliacci“ (Bajazzo). Dass Bonns Generalintendant Bernhard Helmich nun ausgerechnet Montavon für die anstehende Neuauflage des Opernklassikers beauftragte, erhält dadurch einen gewissen Charme.

Helmich hatte seinem Erfurter Kollegen gesagt, dass nach del Monacos großem Wurf sich in Bonn niemand mehr an das Stück heranwagen würde. Auch Montavon selbst sagt: „Das war eine sehr gute Arbeit, mit dem großartigen Bühnenbild von Jürgen Rose und großartigen Sängern.“ Die hohe Messlatte, die sein früherer Chef vor gut einem Vierteljahrhundert gelegt hatte, schreckte ihn aber nicht ab. „Ich telefonierte mit del Monaco, mit dem ich immer noch in Kontakt bin, und erzählte es ihm. Er sagte nur: ‚Gute Reise!’“ Ein Wunsch, den man auch wörtlich nehmen kann: Denn die Produktion, die am Sonntag in Bonn Premiere feiert, geht anschließend weiter nach Erfurt und dann über den Atlantik zum Opernhaus in Seattle.

Vor seinem biografischen Hintergrund ist diese Bonn-Erfurter Opernklammer natürlich eine sehr schöne Sache. „Das war in der deutschen Stadttheaterlandschaft lange Zeit völlig unüblich“, sagt Montavon. Ihm erscheinen solche Koproduktionen jedoch sowohl aus künstlerischen wie aus ökonomischen Gründen sinnvoll. „Nach 15 Vorstellungen sind die Stücke in einer Stadt dieser Grüße in der Regel abgespielt.“

Die alte Inszenierung von del Monaco soll allerdings keine Blaupause für seine eigene sein, sagt Montavon. „Das muss auch nicht sein“, findet er und hält es lieber mit Gustav Mahlers Credo: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Prägend für die neue Inszenierung ist unter anderem das Bühnenbild von Hank Irwin Kittel, den Montavon gebeten hat, zwei überdimensionale Totenmasken der beiden Komponisten zu kreieren. Die Grundidee dahinter: „Ich möchte diese beiden Menschen, die sich kaum gekannt haben, einmal huldigen. Weil sie durch diese Werke die Opernszene seit mehr als hundert Jahren geprägt haben.“ Die dramaturgische Klammer, so Montavon, sei das Theater selbst, das Maskenspiel mit allem, was sich dahinter verbirgt: Kopf, Hirn, Fantasie, Ideen, Gedanken, Ausdruck. „Das Ganze spielt in einer Art Mausoleum.“

Auch wenn Montavon sich über den baulichen Zustand des Bonner Hauses besorgt äußert, ist er über die Zusammenarbeit mit den Bonner Kräften glücklich. Da nennt er zum Beispiel den Dirigenten Will Humburg. „Ich bin selbst ausgebildeter Fagottist und finde es daher faszinierend, wie sehr sich Humburg als Musiker für die Regie interessiert. Selbst die Stellproben in Beuel waren ungeheuer intensiv mit ihm. Er will alles wissen, jedes Detail der Regie. Und als Musiker erreicht er die Herzen der Menschen ganz direkt und ohne Umwege.“ Selbst wenn seine Inszenierung durchfallen sollte – was Montavon nicht glaubt – werde er Bonn „mit einem absolut guten Gefühl wieder verlassen“.

Dass er nach seiner Bonner Zeit nach einer Zwischenstation als Stadttheaterchef in Gießen nach Erfurt ging, hat er übrigens auch einem Rat des früheren Bonner Kulturdezernenten Jochem von Uslar zu verdanken: „Gehen Sie dahin, wo etwas entsteht“, sagte er damals zu Montavon. Das nahm sich der junge Opernenthusiast zu Herzen. Für ihn hat sich daraus eine ungemein spannende Zeit ergeben. Dabei kam es ihm als Chef immer zugute, dass er nicht aus dem bundesdeutschen Westen kam, sondern aus der neutralen Schweiz. „Ich habe da einen Migrationshintergrund. Dinge wie die mögliche Stasi-Vergangenheit von Mitarbeitern haben mich nie interessiert. Das mussten sie unter sich ausmachen. Diese Haltung wurde von ihnen extrem goutiert.“

Premiere am Samstag, 9. November, 19.30 Uhr, im Bonner Opernhaus. Karten gibt es bei Bonnticket.

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