Neu im Kino Greta Gerwigs Film „Little Women“ läuft im Kino an

Bonn · Bei den Nominierungen für den Oscar wurde Regisseurin Greta Gerwig übergangen. Ein schwerer Fehler, wie ihre Romanverfilmung „Little Women“ zeigt, die jetzt in die Kinos kommt.

 Romantische Sehnsucht: (von links) Emma Watson, Florence Pugh, Saoirse Ronan und Eliza Scanlen in dem Film „Little Women“. 

Romantische Sehnsucht: (von links) Emma Watson, Florence Pugh, Saoirse Ronan und Eliza Scanlen in dem Film „Little Women“. 

Foto: dpa/Wilson Webb

Hochzeit oder Tod – ein anderes Ende kann es für eine weibliche Romanfigur im 19.Jahrhundert nicht geben. Da ist sich der Verleger sicher, der die junge Autorin auf das Regelwerk der zeitgenössischen Literatur einschwören will. Aber Jo (Saoirse Ronan) kann sich mit dieser Limitierung nicht abfinden. Weder für sich, noch für die Heldinnen ihrer Geschichten, die ihr seit frühen Jugendjahren aus der Feder fließen.

Schon damals schrieb sie Theaterstücke, die in der Schule oder daheim im Wohnzimmer von ihren Geschwistern mit verteilten Rollen aufgeführt wurden. Vier Schwestern leben im Hause March. Der Vater ist schon seit vielen Jahren für die Union im amerikanischen Bürgerkrieg und die Mutter Marmee (Laura Dern) hält die Familie mit spärlichen finanziellen Ressourcen zusammen.

Eine gute Partie für die sichere Existenz

In dem männerlosen Haushalt können sich die Träume, Fantasien, Begabungen und Lebensvorstellungen der Mädchen frei entfalten. Jo träumt von einem selbstbestimmten Dasein als Schriftstellerin, Amy (Florence Pugh) will Malerin werden, Meg (Emma Watson) hofft auf die große Liebe und die jüngste Schwester Beth (Eliza Scanlen) ist eine begeisterte Pianistin. Nur die reiche, garstige Tante (Meryl Streep) versucht, die Mädchen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Allein eine gute Partie mit einem wohlhabenden Mann könne die Existenz einer Frau sichern.

Als Jo sich auf einem Ball ins Hinterzimmer flüchtet, trifft sie dort auf Laurie (Timothée Chalamet), der sich ebenfalls dem gesellschaftlichen Ritual entzogen hat. Gemeinsam tanzen sie frei von irgendwelchen Schrittvorgaben auf der Veranda.

Mit großen Augen betritt Laurie wenige Tage später das matriarchale Reich der March-Familie und wird schon bald als fünfte Schwester aufgenommen. Natürlich verliebt er sich in Jo und die sich ein wenig auch in ihn, aber nicht genug, um ihn zu heiraten und ihre Lebensträume aufzugeben. Statt in den sicheren Hafen der Ehe einzufahren, reist sie nach New York, wo sie ihre ersten Geschichten an eine Zeitung verkauft, um damit die Familie finanziell zu unterstützen.

Im Stil von „Stolz und Vorurteil“

Mit „Little Women“ verfilmt Greta Gerwig einen geliebten Klassiker der amerikanischen Literatur von Louisa May Alcott aus dem Jahre 1868. Unübersehbar hatte sich Alcott damals an den Werken Jane Austens wie „Stolz und Vorurteil“ (1811) oder „Sinn und Sinnlichkeit“ (1813) angelehnt. Die bekannte Konstellation einer Familie mit vier Töchtern, die unter die Haube gebracht werden sollen, wird hier jedoch ein halbes Jahrhundert später um Sehnsüchte bereichert, die über die romantische Glückssuche hinausgehen. Diesen Aspekt arbeitet Gerwig stärker heraus, als es frühere Verfilmungen von George Cukor mit Katharine Hepburn (1933) oder Gillian Armstrong mit Wynona Ryder (1994) getan haben. Dafür löst sie die chronologische Struktur der Vorlage auf und macht die erwachsene Jo zur Erzählerin ihrer eigenen Geschichte.

Durch den fluiden Wechsel zwischen den Zeitebenen treten die Kontraste deutlicher hervor zwischen den jugendlichen Träumen der Mädchen und der gesellschaftlichen Realität, mit der sie sich als junge Frauen konfrontiert sehen. Romantisches Verlangen und die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung werden hier auf Augenhöhe mit- und gegeneinander abgewogen. Während Jo den Heiratsantrag Lauries ausschlägt, um ihrer schriftstellerischen Leidenschaft nachzugehen, entwickelt sich Amy zur bitteren Pragmatikerin und willigt in die Eheanbahnung mit einem reichen Galan ein. Meg hingegen folgt ihrem Herzen und heiratet einen bettelarmen Lehrer.

Weibliche Glückssucher

Gerwig („Ladybird“) gelingt es, dass sich diese Varianten weiblicher Glückssuche im 19.Jahrhundert vollkommen gegenwärtig anfühlen, ohne dafür den Stoff aufdringlich modernisieren zu müssen. Die Schwestern wollen auf ganz unterschiedliche Weise sehr viel mehr vom Leben, als die Gesellschaft ihnen zu geben bereit ist – ein Grundkonflikt, der auch heute kaum an Aktualität verloren hat.

Der wichtigste Schlüssel für den emotionalen Gegenwartsbezug ist die hervorragende Besetzung. Saoirse Ronan, die schon als 13-Jährige in „Abbitte“ (2007) kraftvoll über die Leinwand fegte, spielt die unbändige Lebenslust und tiefe Verzweiflung ihrer Figur auf hinreißende Weise aus. Als Gegenpol steht ihr die fabelhafte Florence Pugh („Lady Macbeth“) gegenüber, die Amys widerstrebenden  Gefühle wunderbar kontrolliert zum Überkochen bringt. Rex, Kinopolis

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