"Manon" in der Kölner Oper Fantastisch geklotzt

Köln · „Je t'aime“ ist das Leitwort des Abends: Johannes Erath inszeniert Jules Massenets „Manon“ in der Kölner Oper. Mehr als drei Stunden multimedialer Beschuss.

 Frau in Rot: Manon (Zuzana Marková) liebt rauschhaftes Erleben. FOTO: BERND UHLIG

Frau in Rot: Manon (Zuzana Marková) liebt rauschhaftes Erleben. FOTO: BERND UHLIG

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Stimmungsvoll passend zum Starkult der Oscar-Verleihung ging am Wochenende eine Kölner „Manon“-Produktion auf große Fahrt, eine Opéra-Comique nach Abbé Prévosts Roman mit Musik von Jules Massenet. Die lebenshungrige Manon Lescaut, herausgeputzt wie eine Diva des gesellschaftlichen Speckgürtels, liebt vornehmlich rauschhaftes Erleben – das vermittelt die wirklich prächtig ausgestattete Inszenierung von Johannes Erath im Staatenhaus.

Der Regisseur hat das spezielle Raumangebot der Interimsstätte genutzt und eine Breitwandbühne (Herbert Barz-Murauer) bauen lassen. Rund 25 Meter breit gähnt die Spielfläche, in die mühelos ein ganzer Zug einfahren kann – ein Laufband im- beziehungsweise exportiert die Darsteller. Die Rückwände, oft auch Projektionsfläche für Videoeinspielungen respektive fotografische Projektionen, lassen sich aufschieben. Gezogene transparente Vorhänge eröffnen reale Szenen, hinter der Gaze wird noch geträumt oder geahnt.

So suggeriert der Raum den Blick auf U-Bahn-Station, Métro, Paris – und schon befindet sich der Paris-Kenner Erath an der Seine, mit „knisternder“ Schwarz-Weiß-Romantik von Filmschnipseln aus alter Zeit. Angenehm verbinden sich bei dem einstigen Musiker Erath Aufzüge und Objektbewegungen mit der Musik, die über anklingende Leitmotive manchmal versucht, den Plot in Tönen zu erzählen.

Manon, ein braves Mädel, soll ins Kloster. Cousin Lescaut, ein Spieler, verliert sie aus den Augen. Guillot, ein Lebemann, baggert sie vergeblich an. Student Des Grieux fährt mit dem Zug ein. Nach vier Minuten sind die beiden unsterblich verliebt und fliehen nach Paris.

Dort treibt sie der Cousin auf, der von Vater Des Grieux den Auftrag hat, dessen Sohn von Manon zu trennen. Das gelingt mit Manons Zustimmung. Sie entwickelt sich zum Gesellschaftsstar. Jung-Grieux geht ins Kloster. Als Manon das erfährt, holt sie ihn zurück ins pralle Leben. Bald pleite, beginnt Grieux mit dem Glücksspiel, der einst düpierte Guillot bezichtigt ihn und Manon des Falschspiels – Grieux' Vater rettet den Sohn, Manon soll nach Afrika. Sie stirbt zuvor in Grieux' Armen.

„Je t'aime“, mal empfunden, oft gelogen, wird zum Leitwort dieses Abends. Da das Äußerliche alles bestimmt, wird auch bei den Kostümen (Gesine Völlm) fantastisch geklotzt. Ballettmusiken werden durch offene Umbauten bebildert, zum Pas de Deux treten echte Tänzer auf. Rund drei Stunden wird multimedial geschossen – diese Reizüberflutung stumpft irgendwann ab.

Auch die Musik lässt es unter Maestro Claude Schnitzler richtig krachen, der Mann an den Pauken leistet an diesem Abend gewaltiges Dauerdonnern. Die Hornisten sitzen 25 Meter entfernt am anderen Ende des gebauten Bühnengrabens.

Trotzdem mischt sich der Orchesterklang noch erstaunlich gut, das breite Bild fordert halt auch Opfer. Etwas mehr Esprit allerdings hätte Claude Schnitzler in dieser besonderen Situation nicht geschadet.

Bravi am Premierenabend ernteten Manon (Zuzana Marková) und Des Grieux (Atalla Ayan) für die angemessen interpretierten Arien-Schmankerl, die sich auf einigen Hit-Kompilationen der Weltstars befinden. Nikolay Didenko sang Grieux' Vater, eindrucksvoll brummig auch mal zwischen den Reihen des Publikums. Großartig verkörperte Wolfgang Stefan Schwaiger den Cousin, ebenfalls gewinnend assistiert von John Heuzenroeder und Insik Choi als Lebemänner. Massenet hat sensationelle Ensembles, tumultartige Chorszenen und eben tolle Arien geschrieben: Trotzdem bot das innige Akkordeonsolo (Filip Erakowic) einen seelenvollen Höhepunkt. Und die Einspielung des Chansons „Manon“ von Serge Gainsbourg den vielleicht berechtigten Schock in der Abendstunde. Die Manons sind wohl zeitlos.

Dauer: Dreieinhalb Stunden einschließlich Pause. Aufführungen am 9./11./15./17./23./25./31.3 und 2.4. mit wechselnden Zeiten.

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